Nachruf auf Henri Nannen

Jugend forscht aktuell | Januar 1997

Am 13. Oktober 1996 erlag Henri Nannen, der Gründer von Jugend forscht, im Alter von 82 Jahren den Folgen eines Krebsleidens

Henri Nannen

Kaum jemand konnte sich der charismatischen Persönlichkeit Nannens entziehen. Er gehörte nicht zu denen, die es beim Beklagen von Zuständen belassen oder darauf warten, daß andere schon für Abhilfe sorgen werden. Nannen ergriff die Initiative. Sei es, daß er durch Leitartikel im Stern publizistisch Politik mitgestaltete, sei es, daß er zur Behebung des Bildungsnotstandes die Initiative Jugend forscht ins Leben rief - für Nannen hieß es immer wieder: einen Standpunkt haben und diesen auch vertreten. Natürlich bedeutete dies auch, sich nicht nur Freunde zu machen. Aber Nannen war eine Figur mit Ecken und Kanten, an der man sich reiben konnte und die die Auseinandersetzung mit dem Meinungsgegner nicht scheute. Gerade das löcken wider den Stachel des Zeitgeistes machte ihm Freude. So beschrieb er 1990 zum 25jährigen Bestehen von Jugend forscht seine Motivation, den Wettbewerb ins Leben zu rufen, mit folgenden Worten:

"Nun wird es wohl Zeit zu bekennen, warum es mir ein wenig unheimlich ist, daß ausgerechnet ich, ein naturwissenschaftlicher Versager, der Vater von Jugend forscht wurde.

Naturwissenschaften fuhren zu meiner Schulzeit eher auf dem Abstellgleis. Und das blieb lange so. Hätte in einem Kreis von 'Gebildeten' jemand gesagt, er habe soeben die 'Blechtrommel' von Heinrich Böll gelesen, er wäre der allgemeinen Verachtung anheimgefallen. Man hatte zu wissen, daß Günter Grass der Erfinder von Oskar Matzerath war - aber mußte man verstehen, wie ein Halbleiter funktionierte oder was in einem Fernsehgerät steckte - vom Computer ganz zu schweigen? Man mußte es nicht. Und manch einer genierte sich nicht, dröhnend zu verkünden, davon verstehe er nichts, ha, ha, ha.

Das, meine verehrten Leser ist es: ich wollte es wissen. Präzise und genau, nicht in wolkigen Illusionen, sondern in der unmanipulierbaren Sprache der Naturwissenschaften, wo keine Behauptung gilt, die nicht bewiesen werden kann, wo Theorien so lange Theorien bleiben, wie sie sich nicht im Experiment wiederholen lassen. Längst bestimmte die Technik unser Leben, und da sollte einer so borniert sein und sich nicht seiner Unkenntnis schämen? Ich war neugierig. Das kommt einem Journalisten zu. Und so gründete ich Jugend forscht."

Henri Nannen strahlte Energie und Tatkraft aus, und er ließ sich nicht entmutigen, einen eingeschlagenen Weg auch bis zu Ende zu gehen. Er hatte ein ausgeprägtes Gespür für die Themen und Zusammenhänge, welche die Menschen bewegten. So ist es nicht verwunderlich, daß es ihm gelang, innerhalb kürzester Zeit eine Infrastruktur für Jugend forscht auf die Beine zu stellen und ein Konzept zu entwickeln, das sich auch nach mehr als 30 Jahren noch als tragfähig erweist. Schließlich mußten so unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen wie die Industrie, die Schule, Ministerien und ein Magazin wie der Stern unter einen Hut gebracht werden.

Nannen fand für alle die richtigen Worte und setzte seine Vorstellungen zielstrebig in die Realität um. Dabei half ihm seine Fähigkeit, andere Menschen für seine Ideen zu begeistern. Doch er konnte auch loslassen. Wenn ein Projekt auf festem Boden stand, war er meist schon mit etwas Neuem beschäftigt. So verfolgte er in den vergangenen Jahren die Entwicklung von Jugend forscht zwar noch mit lebhaftem Interesse, aber aus der Ferne, so wie ein Vater wohlwollend auf sein erwachsen gewordenes Kind blickt. Seine ganze Leidenschaft galt in den letzten Jahren der Kunsthalle in Emden, die er als sein Lebenswerk betrachtete - ebenso wie den Stern, der untrennbar mit dem Namen Nannens verbunden bleiben wird. Und auch bei Jugend forscht wird niemand vergessen, wieviel der Wettbewerb diesem Mann verdankt.


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