Jugend forscht für wen?

Informationsblatt der DKP, Kreisbüro Ludwigshafen, Nr. IV | 1971

Aus dem Bildungsnotstand wurde eine Show

Preisträger des Bundeswettbewerbs 1971

Nichts macht den Bildungsnotstand bei uns deutlicher als der 6. Bundeswettbewerb "Jugend forscht" in Ludwigshafen. Die Jugend forscht hier nicht. Es sind 1400 Jugendliche von 4 Millionen. 1400 - sind das die letzten Reserven? Die letzte Show vor der völligen Bildungskatastrophe? Wer die Wettbewerbs-Arbeiten studiert, der ahnt, was die Jugend leisten würde, wenn sie könnte. Wenn das reaktionäre und nur an Unternehmer-Interessen orientierte Bildungssystem beseitigt wäre.

Wieder sind es überwiegend Schüler, die sich beteiligt haben. Junge Arbeiter sind weg vom Forschungsfenster. Die Arbeiterklasse ist hierzulande nicht gefragt. Wir fordern gleiche Bildungschancen für alle. Das Profitinteresse der Unternehmer darf nicht Maßstab bleiben. Statt STERN- und Unternehmer-Wettbewerben: Bildungspolitik für die Jugend.

Kleine Schritte

Die beim "Jugend-forscht"-Wettbewerb behandelten Themen berücksichtigen zu sehr Unternehmer-Interessen. Wir haben andere Vorschläge. Technische Umwälzungen sind nicht dabei. Aber kleine Schritte zu gesellschaftlichen Umwälzungen - das könnten solche Arbeiten schon werden:
Mathematische Bestimmung der Chancen eines BASF-Lehrlings, Akademiker zu werden, und der Chancen eines Akademikersohns, Schichtarbeiter zu werden.

Das Arbeitervorkommen in westdeutschen Parlamenten.

Autoritäres Verhalten nach ein-, zwei- und dreijähriger BASF-Zugehörigkeit.

Das Flugverhalten des Starfighters F 104 G beim Absturz aus verschiedenen Flughöhen.

Hausordnungen und Gebührenordnungen in unternehmereigenen Lehrlingswohnheimen.

Näherungsbestimmung der Profitkurve durch Messung von Arbeitshetze und Betriebsunfällen.

Bronchialerkrankungen und Sterblichkeit bei Schichtarbeitern in chemischen Großbetrieben.

Die Wirkung von BASF-Pflanzenvernichtungsmitteln auf vietnamesische Reisfelder.

Untersuchungen über antikommunistische Reaktionen durch regelmäßige STERN-Lektüre.

Der Nutzen der "Jugend-forscht"-Wettbewerbe für die Patenfirmen.

Schüler, lernt das Wolfsgesetz

Lehrlinge sind im "Jugend-forscht"-Wettbewerb selten. Die Mißstände in der Berufsausbildung machen sich deutlich bemerkbar.

Nun gut, so forschen also Schüler. Da stellt sich freilich ein Problem: Die Härte des Berufslebens - den jungen Arbeitern längst geläufig - kennen Schüler noch nicht. "Jugend forscht" ist aber für die Konzerne nützlich. Wie führt man Schüler am besten an die Regeln kapitalistischer Ausbeutung heran?
Im gesellschaftlichen Leben hilft hier der Staat. Durch Gesetze. Bei "Jugend forscht" sind das die Teilnahme-Bedingungen.

Konkurrenz

1. Bedingung: Die Teilnehmer sollen Einzelleistungen erbringen. Der Schüler erkennt hierbei den Sinn isolierter - nicht gesellschaftsbezogener - Arbeit. Er begreift, daß es wichtig ist, sich gegen andere durchzusetzen. Denn alle Mit-Forscher sind Konkurrenten. Der Erfolg des einen ist der Mißerfolg des anderen. So lernen die Schüler das Wolfsgesetz des Kapitalismus.

Unterordnung

2. Bedingung: Falls nun doch mehrere Teilnehmer eine Arbeit einreichen wollen, ist ebenfalls vorgesorgt. "Jugend-forscht"-Kollektive dürfen aus höchstens drei Teilnehmern bestehen. Das Kollektiv hat (auch wenn es nur zwei Leute sind) einen Sprecher zu bestimmen, der die Gruppe anmeldet und vor der Jury vertritt. Merke: Die kapitalistische Welt wird eingeteilt in solche, die sprechen, und andere, die schweigen, in Vorgesetzte und Untergebene. So lernen die Schüler das Teile-und-herrsche-Prinzip des Kapitalismus.

Denkverbot

3. Bedingung: Die Forschungsbereiche sind vorgeschrieben. Die Arbeiten sind "wirtschaftsnah" und für die Unternehmer häufig profitbringend verwertbar. Auf anderen als den vorgeschriebenen Gebieten kann man bei "Jugend forscht" nicht forschen. Fächer wie Pädagogik, Volkswirtschaft, Gesellschaftswissenschaften, Psychologie sind nicht gewinnbringend, also unerwünscht. So lernen die Schüler auch das noch: Der beste Fachmann ist der Fachidiot, und Gedanken über diese Gesellschaft werden nicht prämiert.
Schüler, lernt das Wolfsgesetz! Lernt das Teile-und-herrsche-Prinzip! Lernt, was Ihr nicht lernen sollt. Macht Euch unerlaubte Gedanken. Eine gute chemische Analyse nützt dem Chemie-Konzern. Aber eine gute Analyse des Chemie-Konzerns nützt Euch.

Sie sagen Forschung und meinen Profit.


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