Eine „Aktivistin“ der ehemaligen DDR wird zur Landeswettbewerbsleiterin von Jugend forscht

Elke Fritzlar | November 2014

Elke Fritzlar blickt zurück auf den Start von Jugend forscht in Sachsen-Anhalt

Elke Fritzlar beim Landeswettbewerb 1992 in Magdeburg

Wie bei vielen Bürgern der ehemaligen DDR bewirkte der Mauerfall 1989 auch bei mir eine Zäsur in meinem beruflichen Werdegang.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich als Diplomfachlehrerin für Biologie, Chemie und Mathematik im Bezirk Magdeburg für die Begabtenförderung im Bereich Naturwissenschaften, Technik und Mathematik verantwortlich. Dabei arbeitete ich mit der damaligen Technischen Universität (TU) in Magdeburg zusammen. Dort konnten interessierte und begabte Schülerinnen und Schüler am Nachmittag sogenannte Stationen für außerunterrichtliche Tätigkeit absolvieren. Hier wurde gerechnet, geforscht und gebastelt. Die in diesem Rahmen erarbeiteten Exponate präsentierten die Jugendlichen auf der jährlich stattfindenden "Messe der Meister von Morgen".

Ich verfügte also bereits über einige Erfahrung im Bereich der Nachwuchsförderung und traute mir auch weiterhin ein Engagement in diesem Bereich zu. Gerne nahm ich daher die Einladung der Stiftung Jugend forscht e. V. zu einer Informationsveranstaltung an. An einem Sonntag Anfang März 1990 fuhr ich dazu mit einigen anderen Interessenten aus dem damaligen Bezirk Magdeburg nach Berlin.

Was ich dort hörte, begeisterte mich. Und da sich meine Mitreisenden bei der Veranstaltung für mich aussprachen, wurde ich kurze Zeit später von der Stiftung Jugend forscht e. V. zur ersten Landeswettbewerbsleiterin in Sachsen-Anhalt ernannt.

Von nun an gab es für mich viel zu tun: Ich organisierte Jugend forscht Informationsveranstaltungen. Es galt, Fach- und Hochschullehrkräfte, interessierte Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten neugierig zu machen und zum Mitmachen zu ermuntern. Und natürlich mussten Patenunternehmen und weitere Sponsoren gefunden werden. Auf einmal war alles in Bewegung. Das machte mir Mut - und vor allem auch sehr viel Spaß.

Der erste Jugend forscht Landeswettbewerb in Sachsen-Anhalt fand im März 1991 unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Dr. Polte im Magdeburger Rathaus statt. Die Preise überreichte der damalige Kultusminister Sobetzko. Als erstes Landespatenunternehmen richtete die Firma "Schwermaschinenbau Karl Liebknecht" (SKL) das Landesfinale aus. Zuvor hatte bereits die Firma "Waggonbau Ammendorf" in Halle sehr erfolgreich einen Regionalwettbewerb durchgeführt.

Bis zum Ende der DDR hatte sich mein Arbeitsplatz im "Bezirkskabinett für außerunterrichtliche Tätigkeit" befunden, das nun aber nicht mehr existierte. Zu meinem Glück konnte ich ab Januar 1991 als Referentin im Kultusministerium tätig werden. Das war eine neue und große Herausforderung für mich.

Das Kultusministerium war seinerzeit zunächst im ehemaligen "Haus der Lehrer" untergebracht. Mein Arbeitsplatz befand sich in einem kleinen Büro, das ursprünglich für zwei Personen gedacht war. Wir saßen dort jedoch mit sechs Mitarbeitern - ohne Telefon und mit offener Tür, da diese infolge der Enge nicht zu schließen war. Telefonieren konnten wir nur mit einer Extragenehmigung beim Staatssekretär, oder im Keller über die Vermittlung. Das dauerte teilweise mehrere Stunden. Trotz dieser erschwerenden Umstände entstanden hier viele neue Ideen.

Zur großen Freude aller wurde Jugend forscht in Sachsen-Anhalt sehr gut angenommen. Das Forschen, Tüfteln und Experimentieren stieß bereits im ersten Wettbewerbsjahr auf große Resonanz. Die Teilnehmerzahlen und auch die Ergebnisse konnten sich sogar im bundesweiten Vergleich sehen lassen. Unsere Schülerinnen und Schüler waren auch auf Bundesebene erfolgreich und erreichten vordere Plätze. 1992 errangen wir den ersten Bundessieg und Sachsen-Anhalt wurde vom Jugend forscht Fieber erfasst. Das machte Mut und motivierte zum Weitermachen.

Für mich war klar, dass die Lehrkräfte in unserem Bundesland bei entsprechender Motivation dazu bereit sein würden, künftig noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu gewinnen und fördernd zu begleiten. Daher lag mein Augenmerk besonders darauf, die Leistungen der Projektbetreuerinnen und Projektbetreuer zu würdigen und sie kontinuierlich bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Auch das so wichtige ehrenamtliche Engagement der Juroren aus Schule, Wissenschaft und Wirtschaft galt es anzuerkennen und hervorzuheben. Auf Regional- und Landesebene erhielten wir viel Unterstützung von Landesministern und Staatssekretären, die auch regelmäßig bei den Wettbewerben präsent waren.

Als ich eines Tages in meiner Funktion als Landeswettbewerbsleiterin von Sachsen-Anhalt von Bundeskanzler Kohl zum traditionellen jährlichen Empfang der Jugend forscht Sieger ins Bundeskanzleramt nach Bonn in die Villa Hammerschmidt eingeladen wurde, war ich sehr überrascht, freute mich sehr - und war auch ein wenig aufgeregt. Helmut Kohl begrüßte mich persönlich. Als Ostdeutsche nach so kurzer Zeit im Amt als Landeswettbewerbsleiterin im Kanzleramt zu Gast sein zu dürfen, war für mich eine besondere Anerkennung meiner Arbeit - und etwas ganz anderes als "Freundschaft" mit Margot Honecker. Mir wird der Termin in Bonn für immer in Erinnerung bleiben.

Erfolgreiche Jungforscherinnen und Jungforscher aus Sachsen-Anhalt wurden während meiner Zeit als Landeswettbewerbsleiterin auch von Bundespräsident von Weizsäcker nach Berlin eingeladen. Im Schloss Bellevue konnten sie ihre Forschungsarbeiten vorstellen. Der Bundespräsident ließ sich dabei das Bundessiegerprojekt von Ingolf Zies persönlich erläutern, denn der Jungforscher hatte kurz zuvor im Mai 1992 mit einem Physik-Projekt den Preis des Bundespräsidenten für eine außergewöhnliche Arbeit gewonnen.

Der gelungene Start von Jugend forscht in Sachsen-Anhalt spornte mich an, mich auch allgemein für den Aufbau der Begabtenförderung in unserem Bundesland zu engagieren. Dank der großen Unterstützung meines damaligen Kultusministers konnte ich meine Ideen dabei umfassend verwirklichen.

Besonders stolz bin ich darauf, dass es uns bereits 1994 gelang, erstmals ein Bundesfinale von Jugend forscht in die neuen Bundesländer zu holen: Anfang Mai fand der 29. Bundeswettbewerb in Magdeburg statt. Als Gastgeber und Bundespatenunternehmen engagierte sich das damalige "Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann" (SKET). Die Veranstaltung war ein großer Erfolg.

Darüber hinaus sind mir noch viele weitere schöne Erinnerungen aus meiner Zeit als Landeswettbewerbsleiterin im Gedächtnis geblieben. Den heute Aktiven wünsche ich viel Freude und Erfolg bei der Förderung junger Talente im Rahmen dieses wunderbaren Wettbewerbs. Möge Jugend forscht weiter Geschichte schreiben!


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