Brain & Drain

Jugend forscht Alumni-Festschrift | Juni 2006

Von erfolgreichen Jungforschern, die es in die Ferne zog

Andreas von Bechtolsheim

Der "Brain-Drain" ist schon in den 60er Jahren ein Thema, als Henri Nannen Jugend forscht gründet. Mit seiner Initiative hofft er damals, dem Mangel an Nachwuchskräften infolge der Abwanderung junger Wissenschaftler ins Ausland entgegenzuwirken. Über vier Jahrzehnte hat Jugend forscht "Forscher von morgen" gesucht und gefunden. Doch sind sie in Deutschland geblieben?

Wer sich den ersten Bundessiegerjahrgang ansieht, könnte denken: Mission failed. Theodor Hildebrand, Bundessieger von 1966, studiert zwar in Bonn und Berlin – Mathematik, Physik und Volkswirtschaft. Für seinen ersten Job jedoch kehrt er Deutschland den Rücken. Vive la France – bei der Softwarefirma Sligos entwickelt er neue Produkte für den elektronischen Zahlungsverkehr: Vor allem Geldautomaten, die dort bereits in den 70er Jahren eingeführt werden.

Der genaue Blick in die Statistik beweist aber, dass es vergleichsweise wenige Bundessieger dauerhaft ins Ausland zieht: Nur knapp 18 Prozent verlassen die Heimat zum Studium, wobei die Mehrheit erst als Postgraduate oder Doktorand an eine ausländische Hochschule wechselt – in über der Hälfte der Fälle geht es dann in die USA. Ein Beispiel: Erck Elolf, Bundessieger Chemie 1984. Er beginnt sein Medizinstudium in Hannover, nach wenigen Semestern geht er über den großen Teich an die Boston University. In Toledo erwirbt er schließlich seinen Abschluss – ein hervorragendes Sprungbrett für die folgende Karriere als Facharzt für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Göttingen.

Die meisten Jungforscher kehren nach dem Studium zurück, nur ein kleiner Teil bleibt im Ausland und wagt dort den Berufseinstieg. Das wohl prominenteste Beispiel ist Andreas von Bechtolsheim: Nach dem Master in Informatik an der Carnegie-Mellon University in Pittsburgh zieht es den Physik-Bundessieger von 1974 weiter ins Silicon Valley. An der renommierten Stanford-Universität entwickelt er seinen ersten Rechner. Um ihn vermarkten zu können, gründet er eine eigene Firma: SUN Microsystems. Seine bahnbrechenden Ideen rund um vernetzbare Computersysteme machen ihn zum Dollar-Milliardär. Ein amerikanischer Traum. Über seine Motive, für immer in die USA zu gehen, sagt er: "Um neue Dinge zu entwickeln, braucht es auch eine Kultur, die neuen Entwicklungen gegenüber offen ist. Und da ist Kalifornien ein einzigartiger Platz auf der Welt." In Deutschland "hätte ich es nicht geschafft".

Dann gibt es noch die Bundessieger, die der Heimat erst nach dem Universitätsabschluss "goodbye" sagen – so Joachim Sasse. Nach Studium und Promotion in Berlin und München geht der Bundessieger von 1970 zunächst als Postdoc an die Pennsylvania University in Philadelphia. Er erhält den Ruf an die Harvard University nach Boston und steigt parallel in einer Biotechnologie-Firma ein. Heute ist er Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Tampa University von South Florida. Der Weg ins Ausland – für Sasse allerdings kein "must": "In Deutschland gibt es so ausgezeichnete Ausbildungsmöglichkeiten an den Universitäten, dazu das Netzwerk der Max-Planck-Gesellschaften und der Großforschungseinrichtungen, dass man nicht glauben muss, in den USA bessere Bedingungen zu finden."

Tatsächlich ist es also nur ein kleiner Teil der Bundessieger, den es nach dem Studium dauerhaft in die Fremde verschlägt. Zwar sind über 30 Prozent der erfolgreichen Jungforscher beruflich auch im Ausland aktiv. Doch nur eine Minderheit, zu der etwa auch Joachim Sasse gehört, bastelt auf Dauer außerhalb Deutschlands an der Karriere in Wissenschaft und Wirtschaft. Nimmt man alle deutschen Akademiker in den Blick, ist der Aderlass an Top-Nachwuchswissenschaftlern im Allgemeinen offenbar größer: Experten schätzen, dass jeder siebte der hierzulande promovierenden Studenten auswandert. Auch habe beispielsweise rund ein Drittel der in den USA tätigen Forscher nicht vor zurückzukehren. So gesehen hatte Henri Nannens Mission Erfolg: Jugend forscht produziert Nachwuchsforscher vor allem für den heimischen Markt. Das mag nicht zuletzt auch daran liegen, dass die Bundessieger durch ihre Teilnahme am Wettbewerb frühzeitig Teil eines Netzwerkes werden, das ihnen in Deutschland bei Studium und Beruf optimale Startvoraussetzungen bietet. Vermutlich können sie durch Jugend forscht früher als andere Kontakte knüpfen, die ihnen einen leichteren Berufseinstieg an Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen oder in der Wirtschaft ermöglichen. Resümierend lässt sich also sagen: Mission completed, Mr. Nannen. 


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