Zwei Karrieren, eine Ehe und ein wichtiger Preis

Stiftung Jugend forscht e. V. | 2015

Gisela und Frank Anton – Bundessieger Physik/Technik 1975

Gisela und Frank Anton

Es ist kein Geheimnis, dass Jugend forscht für viele Teilnehmer den Weg zum Traumberuf ebnet – man sehe sich nur die vielen Porträts von erfolgreichen Ehemaligen an. Dass Jugend forscht allerdings auch der Ausgangspunkt für zwei Karrieren und eine Ehe plus Anhang sein kann, ist weniger bekannt.

Gisela Glasmachers ist 20 und tritt 1975 beim Bundeswettbewerb in Leverkusen mit einer Arbeit im Fachbereich Physik an, die nicht nur den (inoffiziellen) Titel für die längste Projektbeschreibung verdient, sondern später auch mit dem Bundessieg ausgezeichnet wird. Ihr Thema: "Berechnung stabiler Schwimmlagen homogener Körper mit quadratischem Querschnitt mit Hilfe elementarer mathematischer Methoden". Verständlicher ausgedrückt: Sie untersucht, warum schwere Holzbalken schräg, leichte dagegen waagerecht im Wasser schwimmen.

Wie gut, dass es bei Jugend forscht verschiedene Themengebiete, also auch mehrere Bundessieger gibt. Ebenfalls ganz oben auf dem Siegertreppchen, auf Augenhöhe mit der ein Jahr älteren Physikerin, steht nämlich im Fachbereich Technik der 19-jährige Frank Anton. Er decodiert mit Hilfe einer später patentierten Blackbox manuelle Morsesignale. Ob zwischen den beiden Nachwuchswissenschaftlern ebenfalls hin- und her gemorst wird, ist nicht bekannt. Fest steht, dass Gisela Glasmachers und Frank Anton sich bereits auf dem Landeswettbewerb kennen lernen, sich auf dem Bundeswettbewerb immer noch blendend verstehen und auf der Siegerreise nach Persien ihr gemeinsames "Schicksal" besiegeln. 1979 wird geheiratet.

Noch vor der Eheschließung beginnen beide Bundessieger Physik zu studieren, widmen sich ein paar Jahre ganz der Wissenschaft. Während es ihn an die Ruhr-Universität in Bochum zieht, geht sie nach Bonn, wo sich die Wege der mittlerweile zwei Antons zum Promotionsstudium bei Nobelpreisträger Wolfgang Paul wieder kreuzen. "Es hat sich immer eins nach dem anderen entwickelt", sagt Gisela Anton, und macht dabei beinahe vergessen, dass sich so eine beachtliche Karriere nicht zufällig ergibt. Und tatsächlich, die Erfolgsgeschichte Anton geht weiter: Frank Anton stellt seine umfangreichen physikalischen Kenntnisse der Wirtschaft zur Verfügung und beginnt eine Karriere bei Siemens in Erlangen, wo er heute als Segmentleiter im Bereich Industrie- und Spezialantriebe arbeitet.

Gisela Anton bleibt der Uni treu, entscheidet sich für eine wissenschaftliche Karriere und habilitiert 1993 an der Universität Bonn. Gegenstand ihrer Forschungsarbeit ist der Teilchenbeschleuniger ELSA, für den sie den Detektor Amadeus entwickelt. "Er bestimmt millimetergenau, wo geladene Elementarteilchen eine zwei Quadratmeter große Fläche durchquert haben", erklärt die Physikerin. Für diese Leistung wird sie im Januar 1994 mit dem Leibniz-Preis, einem der wichtigsten deutschen Wissenschaftspreise, sowie 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Im Anschluss folgt sie dem Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg und wird Inhaberin des Lehrstuhls für Experimentalphysik. 2007 gründet sie dort das Erlangen Centre for Astroparticle Physics, in dem sie bis heute Neutrinos und Gammastrahlen erforscht, um neue Erkenntnisse über den Ursprung der kosmischen Strahlung zu gewinnen.

Bei ihrer Lehrtätigkeit setzt Gisela Anton in besonderem Maße auf die Förderung von Kreativität, Originalität und Eigeninitiative. Ihr sogenanntes "Erlanger Projektpraktikum" sieht vor, dass sich Studierende ein Thema selbstständig auswählen, einen Versuch entwerfen und durchführen - ganz wie bei Jugend forscht. Die Idee wird vom Bayerischen Wissenschaftsminister im Jahr 2000 mit dem Preis für "Gute Lehre" ausgezeichnet. Darüber hinaus engagiert sich Gisela Anton für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Im Rahmen der Universität gründet sie im Jahr 2009 eines der ersten themenoffenen Schülerforschungszentren Deutschlands. An diesem außerschulischen Lernort können naturwissenschaftlich-technisch interessierte Schülerinnen und Schüler unter Anleitung ehemaliger Teilnehmer des Projektpraktikums ihren Neigungen nachgehen und ihre Begabungen gezielt entfalten.

Jufos wären allerdings nicht Jufos, wenn neben der wissenschaftlichen Arbeit nicht auch noch andere Dinge das Leben bestimmen und bereichern würden. Frank Anton ist Hobbypilot, seine Frau spielt Hockey, beide musizieren. Deutlich umfangreicher ist das Hausorchester, seit die Vorzeige-Wissenschaftler auch Vorzeige-Eltern sind. Drei Kinder hat das Ehepaar Anton, die Zwillinge Christina und Johannes sowie das Nesthäkchen Matthias. Zusammen wird "nicht gut, aber gerne" musiziert. Genau diesem Balanceakt zwischen Familie und Beruf hat Gisela Anton Bezeichnungen wie "Karrierefrau ohne Killerinstinkt" oder "Frauenwunder" zu verdanken. Ihr ist klar, dass die Vereinbarkeit beider Lebensbereiche vor allem individuellen Lösungen zu verdanken ist, die im Hause Anton ganz klar "Großeltern" heißen. Gerade deswegen sträubt sie sich, vor den Karren der Frauenbewegung gespannt oder als bloße Quotenfrau gesehen zu werden. "Ich finde nicht, dass 50 Prozent aller Physiker Frauen sein müssen. Aber 100 Prozent der Frauen, die wollen, müssen Physiker sein können."


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