Von hochbegabten Musikern zu prämierten Forschern

Stiftung Jugend forscht e. V. | 2017

Christian Dreier und Fabian Bronner – Preis der Bundeskanzlerin für die originellste Arbeit 2012

Fabian Bronner (links) und Christian Dreier

Die Liebe zur Musik war bei Christian Dreier und Fabian Bronner der Auslöser für umfangreiche Forschungsaktivitäten. Bei der Suche nach der perfekten Tonqualität werden sie Jugend forscht Bundessieger und starten im Anschluss einen ungeahnten Höhenflug. Die Teilnahme bei Jugend forscht hat vor allem eines bewirkt: Aus den hochbegabten Musikern wurden genauso passionierte Forscher, die ihre Talente heute auch in den Bereichen Elektrotechnik und Ingenieurinformatik einsetzen. 

Musiker seit Kindesbeinen

Fabian Bronner und Christian Dreier können sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen und genau in diesem Bereich wollen sie nach der Schule auch beruflich tätig werden. Christian Dreier ist ein hochbegabter Hornist, er wird 2010 in das Landesjugendorchester Nordrhein-Westfalen aufgenommen, erhält ein umfassendes Stipendium und will ein duales Studium bei einem Akustikunternehmen beginnen. Fabian Bronner spielt seit seinem siebten Lebensjahr Schlagzeug, beherrscht auch Pauke, Vibraphon sowie Klavier und bereitet sich schon während der Schulzeit auf sein Studium zum Tonmeister vor. Hierfür hat er bereits Erfahrungen als Leiter der Tonregie beim SOON-Musiktheater, einem der größten Schulmusiktheater Deutschlands, gesammelt. Über die Musik lernen sich die Schüler kennen und stellen fest, dass sie auch das Interesse an hochqualitativen Musikproduktionen teilen.  

Forschung mit Lautsprechern und Mikrofonen

Die beiden stören sich daran, dass ein dreidimensionales Musikerlebnis zwar mit einer aufwändigen Dolby Surround Anlage, nicht aber mit zwei Lautsprechern möglich ist. Dass dies an der Musikaufnahme und nicht an ihrer Wiedergabe liegt, erklären sie mit einem einfachen Vergleich: "Wenn wir mit unseren zwei Ohren im Konzertsaal sitzen, nehmen wir die Musik doch auch in ihrer gesamten Intensität wahr." Sie wollen Abhilfe schaffen und beginnen mit der Recherche in einschlägiger Fachliteratur sowie mit Experimenten bei der Anordnung der Mikrofone. Dabei richten sie die Mikrofone nicht - wie in herkömmlicher Weise - auf die Musiker, sondern auf Decke und Seitenwände. Das Ergebnis ist ein Raumklangsystem, das einen extrem dreidimensionalen Höreindruck vermittelt - und das mit nur zwei Lautsprechern.

Durchmarsch bis ins Bundeskanzleramt

Bei der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung fürs Studium zum Tonmeister wird ein Lehrer auf das Experiment aufmerksam und empfiehlt ihnen, bei Jugend forscht teilzunehmen. Dass sich andere für ihre Erfindung interessieren könnten, daran hatten die Schüler nicht gedacht: "Wir hatten das System eigentlich nur für den Eigenbedarf entwickelt." Aber die Neugierde ist geweckt und so wollen sie "mal gucken", was die Jury so von ihrer Erfindung hält. Zur Überraschung der Schüler sind die kritischen Juroren begeistert und verleihen ihnen den ersten Preis in Physik auf Regionalebene. Die Berichterstattung in der lokalen Presse, durch die sie schlagartig zu Berühmtheiten an ihrer Schule werden, macht die Freude perfekt: "Wir haben mehr Gratulationen bekommen als später beim Bundessieg." Durch den Erfolg motiviert, entwickeln sie ihr Projekt weiter. Die Arbeit zahlt sich aus: Christian Dreier und Fabian Bronner erreichen das Bundesfinale in Erfurt, gewinnen den Preis der Bundeskanzlerin für die originellste Arbeit und damit auch einen Besuch bei Angela Merkel. Gestählt von den Erfahrungen des Wettbewerbs treten sie der Bundeskanzlerin routiniert gegenüber und können auch die promovierte Physikerin von ihrem Projekt begeistern.

"Eine verrückte Zeit"

Aber Jugend forscht hält noch viel mehr Lorbeeren für die Bundessieger bereit: Sie gewinnen ein Praktikum im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, welches ihnen so gut gefällt, dass sie es auf sechs Wochen verlängern. Bei der Preisverleihung des Deutschen Zukunftspreises sitzen sie im Publikum und erleben, wie Bundespräsident Joachim Gauck hochkarätige Wissenschaftler auszeichnet. Sie nehmen an der Summer-School des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt teil und bekommen dort eine Einführung in aktuelle Forschungsthemen. Und als sei das alles nicht genug, erhalten sie auch noch ein persönliches Gratulationsschreiben von Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung in NRW, als sie ihr Abitur machen. "Es ist eine verrückte Zeit und wir haben noch lange nicht alle Erlebnisse verarbeitet", sagen Christian Dreier und Fabian Bronner.

Vom Musik- zum Ingenieurstudium

Jugend forscht hat nicht nur das Leben, sondern auch die Zukunftspläne der jungen Musiker auf den Kopf gestellt. Grund dafür ist unter anderem Professor Karlheinz Brandenburg, der beim Bundesfinale auf das Raumklangsystem aufmerksam wird. Eine Ehre, denn der Professor gilt als einer der wichtigsten Vordenker der Elektrotechnik und hat zusammen mit anderen Wissenschaftlern das mp3-Dateiformat entwickelt. Professor Brandenburg ist von der richtungsweisenden Qualität des Projekts überzeugt und empfiehlt ihnen, zu ihm an die Technische Universität Ilmenau zu kommen. "An dem Tag als ich Professor Brandenburg das erste Mal traf, habe ich mich entschieden, mein Studium zum Tonmeister aufzugeben und seinem Rat zu folgen," sagt Fabian Bronner über diesen folgenschweren Tag. Und tatsächlich entscheiden sich beide Bundessieger für ein Ingenieurstudium in Ilmenau: Fabian Bronner im Fach Ingenieurinformatik und Christian Dreier im Fach Elektrotechnik.

Aus der Kleinstadt zurück nach NRW

"Dass wir Jugend forscht Bundessieger sind, hat uns viele Türen geöffnet", so die beiden Talente. Beispielsweise lernen sie bei einer Einführungsveranstaltung an der Technischen Universität Ilmenau Professor Ralf Sommer kennen, der wie sein Kollege von dem Raumklangsystem begeistert ist und die Studenten fördern möchte. Er ermöglicht ihnen, ihr Projekt in einer Lehrveranstaltung höheren Semestern vorzustellen und einen Vortrag bei der langen Nacht der Technik zu halten. Die Krönung ist eine eigene Vorlesung bei der Ilmenauer Kinderuni. Noch nie zuvor haben Studenten die Gelegenheit dazu erhalten. Trotz dieser tollen Möglichkeiten zieht es die gebürtig aus Moers stammenden Jungforscher dann jedoch wieder zurück nach Nordrhein-Westfalen. Seit 2013 studiert Fabian Bronner Computer Engineering an der Universität Paderborn, Christian Dreier ist Student der Elektrotechnik an der RWTH Aachen.

Musiker, Forscher und Geschäftsleute

Neben Musikern und Forschern sind Christian Dreier und Fabian Bronner auch Geschäftsleute. Seit ihrem 18. Lebensjahr haben sie eine eigene Firma und verdienen Geld mit Musikaufnahmen. Viel Lob erhalten sie dabei für ihr eigenes Raumklangsystem: "Auch Branchenprofis hatten ein solch dreidimensionales Musikerlebnis noch nicht gehört," sagt Fabian Bronner. In Zukunft wollen sie sich aber nicht mehr so stark auf die Musikaufnahmen selbst, sondern auf die Weiterentwicklung von Aufnahmemethoden konzentrieren. Daher arbeiten sie mit ungebrochenem Forscherdrang an ihrem Projekt und planen, wichtige Bausteine schützen zu lassen. Man kann also gespannt sein, zu welchen neuen Höhenflügen die beiden jungen Forscher noch ansetzen.


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