“From bench to bedside and back”

Stiftung Jugend forscht e. V. | 2022

Constanze Schmidt und Stefan Kallenberger – Bundessiegerin und Bundessieger Arbeitswelt 2001

Constanze Schmidt und Stefan Kallenberger

Constanze Schmidt und Stefan Kallenberger lernen sich bei Jugend forscht kennen und starten mit einem gemeinsamen Projekt durch. Seitdem sind die beiden ein Team und unterstützen sich gegenseitig bei ihren Forschungen. 

Kennenlernen bei Jugend forscht

2000 reist Stefan Kallenberger mit einem Projekt zur schädigenden Wirkung von Freizeitlärm zum Regionalwettbewerb in Lüneburg. Er hat untersucht, wie stark das Gehör durch Knallkörper oder laute Musik in Diskotheken geschädigt werden kann, und ein Analyseverfahren entwickelt, mit dem sich zwecks Gehörschutz der richtige Sicherheitsabstand finden lässt. Beim Wettbewerb lernt er Constanze Schmidt kennen, die mit einem Physikprojekt teilnimmt: Sie hat beobachtet, dass übereinander geklebte Tesa-Streifen auf dem Overhead-Projektor unterschiedliche Farben produzieren.

Die beiden werden neugierig auf ihre Projekte und merken, dass sie ähnliche Interessen haben. Sie halten Kontakt und gehen in der nächsten Wettbewerbsrunde mit einem gemeinsam erarbeiteten Projekt an den Start. Mit einem Verfahren für eine mittlerweile patentierte programmierbare Biofeedback-Schieltherapie holen sie sich den Bundessieg im Fachgebiet Arbeitswelt und sammeln wichtige Erfahrungen für ihre weitere Forschungsarbeit. „Bei Jugend forscht lernt man ziemlich früh, mutig zu sein und ein Projekt einfach anzufangen und zu sehen, was daraus wird“, erzählt Stefan Kallenberger.

Stefan Kallenberger: Modelle für die Medizin

Auch nach dem Abitur bleiben sie einander verbunden und studieren Physik und Medizin, sie in Göttingen und er in Erlangen. Stefan Kallenbergers Ziel ist, die Physik mit der Medizin zu verbinden, um biochemische Prozesse zu verstehen und darauf basierend mathematische Modelle zu entwickeln, die dann die Medizin voranbringen können. Mit diesem Fokus studiert er beide Fächer parallel und konzentriert sich dabei auf die wesentlichen Inhalte. Für spezifische Teilgebiete wie etwa die Astrophysik bleibt dadurch wenig Zeit, aber auf diese Weise schafft Stefan Kallenberger bereits 2008 das Diplom in Physik und erhält nur ein Jahr später seine Approbation als Arzt. Im Anschluss promoviert er – sowohl in Physik als auch in Medizin.

Constanze Schmidt: Die Elektrik des Herzens verstehen

Auch Constanze Schmidt interessiert sich sowohl für Physik als auch für Medizin – und hier besonders für das Herz. Weil es aber sehr zeitaufwendig ist, beide Fächer gleichzeitig zu studieren, konzentriert sie sich nach dem Physikum auf das Medizinstudium und hier vor allem auf das Thema „Herzrhythmusstörungen“. Der Gedanke, verschiedene Fachrichtungen miteinander zu verbinden, begeistert auch sie und so erwirbt sie 2016 die Facharztqualifikation in Innerer Medizin und 2019 in Kardiologie, um die vielfältigen Erkrankungen des Herzens in ihrer Ganzheit besser verstehen zu können.

Das Herz ist ein Muskel, der stetig Blut durch den Körper pumpt. Die Herzschläge werden dabei durch elektrische Impulse ausgelöst. Diese Verbindung von Elektrizität und Biologie fasziniert Constanze Schmidt. Sie steigt immer tiefer in die Materie ein, bis hinein in die Details der Ionenkanäle, die die elektrischen Reize weitergeben. Sind diese leitfähigen Proteine gestört, werden die elektrischen Reize im Herzen nicht korrekt weitergegeben und es kommt zu Rhythmusstörungen.

Nach ihrer Promotion entdeckt Constanze Schmidt mit der von ihr gegründeten Arbeitsgruppe an der Universität Heidelberg einen neuen Ionenkanal. Auf dieser Entdeckung aufbauend entwickelt ihr Team ein neues Medikament, das genau an diesem Ionenkanal gezielt angreift, um Rhythmusstörungen zu verhindern. „From bench to bedside“, also von der Forschung an der Laborbank bis hin zum Krankenbett, führt Constanze Schmidt den kompletten Prozess durch. „Und heute dürfen wir den Patientinnen und Patienten dieses Medikament verabreichen!“, erzählt sie begeistert.

Was Constanze Schmidt anspornt, ist nicht nur ihre Faszination für das Herz, sondern auch die Möglichkeit, durch ihre Forschungsarbeit und ihr fachliches Können die Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern: „Ich fand die Elektrik am Herzen immer schon spannend. Wenn ich einen Patienten behandele, der einen eingeschränkten Herzrhythmus hat oder sogar keinen mehr, sehe ich mich gefordert, diesem Patienten einen Herzschrittmacher einzusetzen, der genau an seine Erfordernisse angepasst ist.“

Translationale Forschung

Auch nach Abschluss ihrer Promotionen forschen Constanze Schmidt und Stefan Kallenberger kontinuierlich weiter – gleichzeitig arbeiten sie als Ärztin bzw. Arzt in der Klinik. 

So hat Stefan Kallenberger seit 2021 eine Stelle als Onkologe am Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. Parallel dazu ist er an der Universität Heidelberg wissenschaftlich tätig. Er gründet eine Arbeitsgruppe für Systemmedizin, die sich damit befasst, biochemische Prozesse zu verstehen und in mathematische Modelle zu überführen, die letztlich die Tumorbehandlung optimieren sollen.

Constanze Schmidt arbeitet ebenfalls als translationale Forscherin, also sowohl in der Forschung als auch in der Klinik. Sie leitet eine Arbeitsgruppe an der Universität Heidelberg, an der sie seit 2020 als Professorin arbeitet – mit nur 36 Jahren. Gleichzeitig ist sie als Oberärztin sowohl in der Inneren Medizin als auch in der Kardiologie am dortigen Universitätsklinikum tätig.

In der Forschung profitieren beide von den Anregungen, die sie bei ihrer klinischen Arbeit erhalten.  „Die Mischung macht‘s – eindeutig. Würde man nur forschen, liefe man Gefahr, den Bezug zu dem zu verlieren, was man in der Klinik bei der Behandlung von Patienten konkret braucht“, erklärt Stefan Kallenberger.

Und so stehen Constanze Schmidt und Stefan Kallenberger beide jeden Tag im Labor und nehmen ihre Forschungsergebnisse direkt mit zu ihren Patientinnen und Patienten, optimieren Behandlungsansätze, nehmen die neu gewonnenen Erkenntnisse dann wieder zurück in die Wissenschaft – und treiben Verbesserungen so in beiden Bereichen voran: in der Forschung wie in der ärztlichen Praxis! 

Für die Forschung bleibt in der Arbeitswoche in der Regel nur wenig Zeit, dafür hat Constanze Schmidt jedoch eine Lösung: „Auch die Wochenenden nutzen wir natürlich für die Forschungsarbeit! Ganz klar!“ Nebenher engagiert sie sich in verschiedenen kardiologischen Forschungsgesellschaften. Stefan Kallenberger ist in seiner wenigen freien Zeit als Juror bei Nachwuchswettbewerben aktiv. Bei diesem Engagement außerhalb des Jobs genießen beide den fachlichen Austausch, den Einblick in andere Disziplinen und natürlich auch die Reisen zu Konferenzen, Tagungen und Wettbewerbsveranstaltungen. „Das macht großen Spaß und erweitert den Horizont!“, sagt Constanze Schmidt.  

Tätowierte Herzen

In der wenigen gemeinsamen Zeit, die den beiden daneben noch bleibt, tauschen sie sich intensiv aus, zum Beispiel am Frühstückstisch. So berichtet Stefan Kallenberger eines Tages von seiner Beobachtung, dass Tätowierungen sich im Kernspintomografen erhitzen, weil das in der Farbe enthaltene Metall leitfähig ist. Daraus entwickeln beide gemeinsam die Idee, Metallpartikel in Herzen einzubringen, dort feine Linien zu „tätowieren“ und damit die Leitfähigkeit des Gewebes zu erhöhen. Tatsächlich ist daraus inzwischen ein Forschungsprojekt in Kooperation mit einer großen Medizintechnikfirma entstanden. Stefan Kallenberger liefert die biochemischen Grundlagen und Modelle, während Constanze Schmidt mit ihrer Arbeitsgruppe Herzen untersucht und mit der innovativen Methode inzwischen Hausschweine mit Vorhofflimmern behandelt.

Auch hier wird deutlich: Für beide ist es die größte Motivation, die Wissenschaft voranzubringen und ihren Patientinnen und Patienten bessere Behandlungsmethoden zu bieten. „In der Medizin gibt es noch so viel zu tun!“, erklärt Constanze Schmidt.

Die Ideen werden ihnen dabei auch künftig mit Sicherheit nicht ausgehen. Constanze Schmidt bringt es so auf den Punkt: „Herz und Krebs haben medizinisch nicht so viel gemeinsam, aber Gegensätze ziehen sich an und so ergeben sich viel mehr neue Projekte, als uns lieb ist.“ Ob sie diese dann in Heidelberg angehen oder vielleicht ganz woanders, wird die Zukunft zeigen. Eins jedoch ist sicher: Sie werden sich weiterhin ergänzen und gemeinsam forschen.


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