Die Milliarden-Karriere
Stiftung Jugend forscht e. V. | 2015
Andreas von Bechtolsheim – Bundessieger Physik 1974
Auf den ersten Nobelpreisträger aus den Reihen ehemaliger Jugend forscht Teilnehmer wartet man in der Geschäftsstelle in Hamburg bislang noch vergeblich. Einen Milliardär gibt es allerdings bereits. Kein Wunder, dass Andreas von Bechtolsheim der Star unter den Ehemaligen ist. Sein Werdegang vom Jungforscher am Bodensee zum Besitzer einer kalifornischen Computerfirma ist der Stoff, aus dem interkontinentale Traumkarrieren gewebt werden. Der Stolz auf den Vorzeige-Unternehmer (oder wie es sogar im Englischen heißt: auf das "hardware-wunderkind") ist dabei nicht ganz unberechtigt: Schließlich hat von Bechtolsheim wiederholt zu Protokoll gegeben, wie wichtig die Wettbewerbe für ihn und seine spätere Karriere waren. "Für mich war das ein Stück Lebenserfahrung. Jufo hat mir mehr geholfen als die Schule. Ich habe gelernt, wie man eine Idee verwirklicht, ein Experiment verkauft, andere Leute von etwas Neuem überzeugt."
Dreimal nimmt Andreas von Bechtolsheim bei Jugend forscht teil, gewinnt schließlich 1974 den Bundeswettbewerb im Fachgebiet Physik. Der 18-Jährige präsentiert eine Arbeit zur "genauen Strömungsmessung durch Ultraschall", die hochkomplex ist, jedoch nicht viel über seine Faszination für Computer verrät. Andreas von Bechtolsheim ist ein Multitalent. Schon als Sechsjähriger nimmt er den Kassettenrekorder seines Vaters auseinander. Im Gegensatz zu vielen anderen jungen Talenten, die mit diesem Mythos ihr früh aufkeimendes technisches Verständnis belegen wollen, geht der kleine Andreas so methodisch vor, dass er das Gerät anschließend auch wieder zusammenbauen kann. "Meine erste Lötstelle roch einfach magisch!", erinnert er sich. Für einen heimischen Händler, der Industriesteuerungen verkauft, schreibt er mathematische Funktionen im binären Code und ersetzt so praktisch alle anfallenden Verkabelungen der Hardware durch entsprechende Software. Herr Blümlein zahlt 100 Mark pro verkaufter Steuerung - auch hier zeigt sich: Früh übt sich, wer Unternehmer im Silicon Valley werden will.
Neben dem jugendlichen Aussehen samt Birkenstock-Sandalen hat sich "Andy" (wie er sich ganz amerikanisch nennt) vor allem die jugendliche Neugier bewahrt. Er studiert mit Unterstützung der Studienstiftung des deutschen Volkes ein Jahr in München, bis ein Fulbright Scholarship ihn in die USA lockt. Als Doktorand der renommierten Universität Stanford schlägt Andreas von Bechtolsheim vor, die Uni-Rechner zu vernetzen. Weil keine adäquate Hardware vorhanden ist, baut er seine eigene Workstation. Da es, wie von Bechtolsheim bescheiden bemerkt, in Stanford in jenen Tagen "fast zum guten Ton gehört", seine Ideen in der eigenen Firma zu vermarkten, gründet er 1982 mit drei Freunden das Stanford University Network, besser bekannt als SUN Microsystems. Dann geht alles ganz schnell. 4,5 Millionen Dollar Startkapital strecken Wagnisfinanziers vor, SUN wird zu einem der führenden Anbieter von leistungsstarken, billigen Netzwerk-Computern, wächst und wächst und macht bereits 1999 einen Umsatz von 80 Milliarden Dollar. SUN zementiert die Legende des "deutschen Bill Gates" und ist das am schnellsten wachsende Computer-Unternehmen weltweit.
Andreas von Bechtolsheim, dem es bei der Firmengründung nie um Geld, sondern immer um die technologische Innovation geht, ist zu diesem Zeitpunkt freilich nicht mehr an Bord. Man könnte fast sagen, ihn langweilt die Routine im immer größer werdenden Imperium. Im August 1995 verlässt er SUN und tut das, was das Silicon Valley so berühmt gemacht hat: Er gründet noch ein Start-up, fängt noch einmal bei null an. Granite-Systems entwickelt Hochgeschwindigkeits-Server. "Bei Granite kann ich mich wieder auf ein einziges technisches Ziel konzentrieren, während ich bei SUN die halbe Zeit in Meetings verbrachte." Dem Erfolg allerdings, dem kann er sich offensichtlich nicht entziehen. Seine Neugründung ist so profitabel und attraktiv, dass Granite bereits 1996 für 220 Millionen Dollar vom Netzwerk-Spezialisten Cisco aufgekauft wird. Mit der neuesten Entwicklung schließt sich der Kreis. SUN Microsystems kauft in einem Aktiendeal nicht nur eine dritte Firma von Andreas von Bechtolsheim auf, sondern damit auch ganz wörtlich den "Angestellten Nummer 1" zurück. Seit Anfang 2004 ist Andreas von Bechtolsheim wieder Teil der Führungsspitze von SUN. Im Jahr 2008 verabschiedet er sich dann erneut von seinen Kollegen und gründet Arista Networks, das spezielle Switches zur Beschleunigung von Cloud-Netzwerken herstellt. Die Hardware-Firma beschäftigt heute mehr als 800 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von über 300 Millionen Dollar im Jahr.
Eine Frage wird im Zusammenhang mit dieser Erfolgsgeschichte natürlich immer wieder gestellt: Warum Amerika? Andreas von Bechtolsheim ist überzeugt, dass eine ähnliche Entwicklung in Deutschland nur schwer möglich gewesen wäre. Mehr Wettbewerb und größere Spezialisierung schaffen schon an den Universitäten ein Klima, das Innovation und Risikobereitschaft fördert. Die Gründung eines Unternehmens werde nicht als großes persönliches Risiko, sondern als Chance begriffen. "Wenn man in den USA neue Sachen versucht, wird man dafür nicht bestraft, sondern belohnt". Aber Jugend forscht, da ist sich Andy sicher, ist auf jeden Fall der richtige Ansatz.
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