Die Faszination von Pyrotechnik
Stiftung Jugend forscht e. V. | 2006
Matthias Meder – Bundessieger Chemie 1988
Jugend forscht ist eine tendenziell ernste Veranstaltung, an der sich Jugendliche beteiligen, die über besondere Begabungen im Bereich von Naturwissenschaften und Technik verfügen: Die Teilnehmer machen sich lange Gedanken, um eine geeignete Projektidee zu entwickeln, und ihre Eltern unterstützen sie, weil sie das enorme Bildungspotenzial des Wettbewerbs erkennen. Tatsächlich entspricht diese Sichtweise nur der halben Wahrheit. Aber das erfährt man nur, wenn man sich mit ehemaligen Teilnehmern unterhält. Matthias Meder zum Beispiel ist so ein Ehemaliger. Seit seiner Kindheit fasziniert ihn die Chemie. Sein Interesse gilt allerdings weniger dem Anrühren von farbigen Lösungen und dem Bestimmen von Ladungszahlen und Formeln: stattdessen muss es ordentlich knallen. Wie viele Jungen in seinem Alter, experimentiert Matthias Meder mit Pyrotechnik. Kein Wunder, dass sich die Eltern nach einiger Zeit fragen, was der Nachwuchs im heimischen Kellerlabor so treibt. "Deswegen", so gibt Matthias Meder heute zu, "war Jugend forscht auch eine willkommene Legitimation meiner Forschungsarbeiten". Denn die Eltern sind sehr beeindruckt, als die Stiftung Jugend forscht ein Ticket für den Flug zum Bundeswettbewerb in Berlin schickt.
Ein Thema für den Wettbewerb findet sich eher zufällig: Auf der Hamburger Verbrauchermesse "Du und Deine Welt" bieten die Hamburger Wasserwerke Teststreifen für die Messung von Trinkwasser an. "Das können wir besser", denken sich Matthias Meder und sein Freund Gerd Kracht und melden sich bei Jugend forscht an. Mit ihrer Arbeit "Einfache chemische Trinkwasseruntersuchungen – titrimetrisch und kolorimetrisch mit Hilfe eines selbstgebauten Photometers" erreichen die beiden 17-Jährigen auf Anhieb den Bundeswettbewerb und werden dort 1985 mit einem zweiten Platz im Fachgebiet Chemie ausgezeichnet – eine stolze Leistung. Vom "Jugend forscht Virus" infiziert macht sich Matthias Meder nun systematisch an sein nächstes Projekt. Schließlich gibt es viel zu verlieren, während eine weitere Steigerung fast unmöglich erscheint. Drei Jahre Forschungsarbeit investiert das bewährte Doppel, um 1988 erneut beim Bundeswettbewerb anzutreten. Wie gut, dass Familie Meder mittlerweile von der Ernsthaftigkeit des Hobbys ihres Sohnes überzeugt ist – das aktuelle Forschungsvorhaben der beiden Nachwuchswissenschaftler verlangt einiges an Toleranz: Im Fachgebiet Biologie treten sie mit der Arbeit "Chemische Einflüsse auf das Leuchtbakterium – Entwicklung eines Messsystems zur Nutzung von Vibrio fischeri als Bioindikator" an. Leuchtbakterien kann man entweder kaufen oder aber selber herstellen. Und das geht so: Man nehme einen grünen Hering, bedecke ihn mit Salzwasser und lasse ihn im Kühlschrank faulen. "Dann kann man im Dunkeln vorsichtig nachsehen, ob etwas leuchtet, und die so entstandenen Bakterien abschöpfen", führt Meder plastisch aus. Ein paar Mal macht die geplagte Familie dieses Prozedere mit. Dann gibt es zum Geburtstag einen eigenen Kühlschrank für den forschenden Sohn. Der Einsatz lohnt: 1988 übertrifft Matthias Meder seinen eigenen Erfolg und wird Bundessieger.
Die Wettbewerbe bedeuten für Matthias Meder bis heute vor allem eine Bestätigung und die Anerkennung seiner Forschungsarbeit. Auch die lebenslangen Kontakte zu Gleichgesinnten möchte er nicht missen. Überraschend ist jedoch die Erkenntnis, dass die Bezeichnung "gleichgesinnt" auf dem Bundeswettbewerb auch den regen Austausch von pyrotechnischen Tricks und Anleitungen beinhaltet. Darüber hinaus bietet Jugend forscht für Matthias Meder auch Berufsberatung. Statt wie geplant Goldschmied oder Feinmechaniker zu werden, beginnt er als Stipendiat der Studienstiftung ein Chemie-Studium in Hannover. Besonders die Toxikologie hat es ihm angetan und begleitet ihn in Form von Knollenblätterpilzen und ähnlich giftigen Gewächsen auch durch die erfolgreiche Promotion. Matthias Meder selbst hat mittlerweile von der Pyrotechnik abgesehen. Andere offensichtlich nicht: Noch während seiner Studienzeit explodiert das Chemie-Labor seines Instituts, doch dieser Zwischenfall verzögert sein Fortkommen nicht erheblich. Schließlich ist da auch noch das Medizin-Studium ...
Während der Promotion entscheidet Matthias Meder, dass ihn der Anatomie-Kurs eines Kollegen interessieren würde, der Professor jedoch verweist auf die fehlende Immatrikulation als Medizinstudent. Nichts leichter als das, denkt sich der Doktorand, und schreibt sich pro forma ein. Aus ein paar Vorlesungen wird ein ausgewachsenes Zweitstudium und schließlich steht das Physikum an. Matthias Meder erzählt diese Episode, als sei sie nichts Besonderes, der Prüfer wiederum weiß nichts von den Vorkenntnissen seines Studenten: "Besonders in Biochemie kenne ich mich natürlich ein wenig aus. Sagen wir mal so: Dann hat die Prüfung natürlich einen gewissen Unterhaltungswert." Bescheiden wirft Matthias Meder direkt danach ein: "Ich bin aber nicht weit gekommen." Was letztlich auch nicht so ganz stimmt. Das erste Staatsexamen absolviert er, dann lockt eine Anstellung, die seiner Doppelqualifikation genau entspricht. An der Kinderklinik in Hannover übernimmt Matthias Meder die Laborleitung des Stoffwechsellabors und ist dort weiter als diensthabender Toxikologe im Einsatz.
Mittlerweile ist Matthias Meder beim Verband der Chemischen Industrie tätig. Besonders die Forschungsbedingungen in der Klinik haben ihn bewogen, die Medizin zunächst aufzugeben. Stattdessen ist er nun viel in Brüssel und vertritt die Interessen seines Verbandes. Er hat wieder Glück mit seinem Arbeitgeber. Denn immer, wenn das Rote Kreuz ruft, kann sich der Toxikologe sogar freistellen lassen. Schon zu Jugend forscht Zeiten engagiert sich Matthias Meder für die Hilfsorganisation, kann deswegen an den Reisen nach dem Bundeswettbewerb nicht teilnehmen. Er wirkt allerdings nicht so, als wenn ihn diese Tatsache bedrückt. Er kann helfen, wo er gebraucht wird, ist nach dem schweren Erdbeben in der Türkei Projektleiter für den Aufbau eines physiotherapeutischen Reha-Zentrums.
Im letzten Jahr seiner Arbeit beim Verband der Chemischen Industrie gibt er seine Tätigkeit als Referent für Toxikologie auf und arbeitet als Assistent des Geschäftsführers. Im Jahr 2006 wechselt Matthias Meder in die Wirtschaft. Er geht zu BASF. Dort ist er im Bereich Produktsicherheit als Gruppenleiter für die Implementierung der neuen EU-Chemikalienrichtlinie REACH verantwortlich. Eine Bilderbuch-Karriere. Matthias Meder aber gibt sich ganz bescheiden. Nur der Einfluss von Jugend forscht, der ist ihm sehr deutlich bewusst: "Ich glaube, es ist schwer zu sagen, ob man Karriere gemacht hat oder nicht. Es ist aber leicht zu sagen, ob man mit dem glücklich ist, was man jetzt macht. Ich bin glücklich mit dem, was ich jetzt mache, ich mache das gerne und es interessiert mich. Ich weiß nicht, ob ich dahin gekommen wäre, wenn ich nicht bei Jugend forscht mitgemacht hätte."
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