5000 Kalorien am Tag
Stiftung Jugend forscht e. V. | 2006
Waltraud Schulze – Bundessiegerin Biologie 1990
Waltraud Schulze hat zwei große Leidenschaften: Reisen und Biologie. Nicht weiter verwunderlich, wenn man sich ihren Lebenslauf ansieht. Wie bei der sprichwörtlichen Henne mit dem Ei, fällt es schwer festzulegen, wofür sie sich zuerst begeistern konnte. Ganz sicher ist jedoch, dass ihre Eltern großen Einfluss auf sie ausgeübt haben und dass sowohl das Reisen als auch das Forschen auf frühkindlicher Prägung beruhen. Jugend forscht ist da die logische Konsequenz und der nächste Schritt für ein Kind wie Waltraud Schulze. Mit der Neugier, die sie von ihren Eltern kennt und auf vielen Reisen erproben durfte, macht sie sich an ihre Projekte. Natürlich im Fachgebiet Biologie. Ihre Arbeit zum Thema "Bedeutung der Stärkespeicherung für das Wachstum von Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand)" wird 1990 mit dem ersten Platz beim Bundeswettbewerb ausgezeichnet. Es stellt sich heraus, dass Jugend forscht die perfekte Verbindung ihrer beiden Hobbys darstellt: Die Siegerreise führt sie nach Russland. Mit einer Weiterführung ihrer Siegerarbeit tritt sie drei Jahre später noch einmal auf dem Bundeswettbewerb an und wird diesmal mit einer Forschungsreise in die USA ausgezeichnet. So schließt sich der Kreis.
Waltraud Schulzes Vater, Prof. Dr. Ernst-Detlef Schulze, ist Professor für Pflanzenökologie, bis 1997 hat er den so benannten Lehrstuhls an der Universität Bayreuth inne. Die Wagner-Stadt ist überwiegender Wohnort der Schulzes, was die fünfköpfige Familie jedoch nicht daran hindert, dann und wann mit Sack und Pack durch die Welt zu ziehen. Professor Schulze lässt sich von der Universität beurlauben und unternimmt mehrere längere Forschungsreisen, die ihn und seine Familie an die entlegensten Orte der Welt führen. Waltraud Schulze absolviert so ihre Schullaufbahn auf drei verschiedenen Kontinenten, während Gleichaltrige froh sind, in die Ferien fliegen zu dürfen statt an den Bodensee zu fahren. In den Kindergarten geht sie in Brisbane, die Grundschulen stehen in Salt Lake City und Stanford und für das Gymnasium geht es zurück nach Australien. Diesmal ist Perth an der Reihe. Kein Wunder, dass Waltraud Schulze heute noch eine welterfahrene "Nomadin" mit anhaltendem und überdauerndem Fernweh ist.
Allen gegenteiligen Annahmen zum Trotz nimmt Waltraud Schulze ihr Biologiestudium jedoch in Deutschland auf. Im Jahr ihrer letzten Jugend forscht Teilnahme ist sie schon Studentin in Bayreuth, wechselt dann aber nach Regensburg. Man könnte fast meinen, dass Waltraud Schulze sesshaft wird, wären da nicht die ausgedehnten Forschungsreisen zu immer abenteuerlicheren Zielen. So nimmt sie 1993 an einer Expedition nach Sibirien teil, um dort CO2- und Wasseraustausch im Wald zu messen. Anschließend stellt sie ihre Ergebnisse auf einem Kongress in Japan vor und bricht von dort zu ihrer Arbeit am Tropical Research Center in Darwin, Australien auf. In den Semesterferien arbeitet sie im Rahmen von Praktika immer wieder im Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung und im Jugend forscht Patenunternehmen Boehringer Ingelheim. So stellt sie sicher, dass sie den Kontakt zur Forschung auch in theorielastigen Phasen des Studiums nicht verliert. Die zu Jugend forscht Zeiten erworbene Fähigkeit, gesammelte Daten auszuwerten, trainiert Waltraud Schulze allerdings immer noch am liebsten zusammen mit ihrem Vater.
Gelegenheiten, diese Proben zu sammeln, ergeben sich für Waltraud Schulze mittlerweile genug. Seit ihr Studium beendet ist, bleibt mehr Zeit für ausgedehnte Extrem-Biking-Touren. Die Mongolei, Lappland, Patagonien, Grönland und Namibia sind ein paar der Ziele, die Waltraud Schulze mit ihrem Freund und Mitreisenden Andreas von Heßberg bereits "erradelt" hat. Auch sportliche Wettkämpfe wie das Langstreckenrennen Paris-Brest-Paris zählen die beiden zu ihren Erfolgen. 1200 km, die fast ohne Unterbrechung und immer am Rande der körperlichen Belastbarkeit im wahrsten Sinne des Wortes "erfahren" werden. Wer sich die Strapazen ausmalen will, denen der Körper durch solche Touren über Berg und Tal und meist auf Schotterpisten ausgesetzt ist, bekommt durch die Fotos auf Waltraud Schulzes Homepage einen Eindruck. So verarbeitet der Körper etwa 5000 Kalorien pro Tag. Und um dies wieder auszugleichen, muss die entsprechende Menge an Nahrungsmitteln auch noch per Rad transportiert werden, um lange Strecken durch einsames Gelände auch ohne Verpflegungsstationen überstehen zu können. Eine gute Lösung, so Waltraud Schulze, ist da das so genannte Pemmikan: traditioneller Reiseproviant der Indianer aus getrocknetem Rinderfleisch, Beeren, Zucker und Schmalz – viele Kalorien, leicht im Gewicht und in gewachsten Baumwoll-Säckchen lange haltbar. Bei diesen Reisebeschreibungen wird klar: Waltraud Schulze muss das Reisen lieben. Mindestens so sehr wie die Biologie.
Doch in der Zwischenzeit reichen ihr Fahrradtouren und die Arbeit im Max-Planck-Institut als Betätigungsfelder nicht mehr aus. Die vielseitig interessierte Forscherin entdeckt Tibet für sich und wird als Buchautorin tätig. "Tibet entdecken" heißt das Buch, das Waltraud Schulze zusammen mit Ihrem Partner Andreas von Heßberg schreibt. Denn trotz aller Medienaufmerksamkeit, die Tibet in den letzten Jahren erhalten hat: Es gibt noch vieles zu entdecken auf dem Dach der Welt. Gerade für Touristen gestaltet sich die Reise oft beschwerlich und verlässliche Informationen sind selten aufzutreiben. Das Ziel der Autoren ist es, die Erkundung von Tibet zu erleichtern und etwas Klarheit in das Dickicht der Informationen zu bringen. Das Werk ist der aktuellste deutsche Reiseführer über Tibet. Wer hinter dem Projekt ein One-Hit-Wonder vermutet, sieht sich getäuscht. Dem Buch folgt 2006 ein Reiseführer über die Wildnis der sibirischen Halbinsel Kamtschatka – der einzige seiner Art in deutscher Sprache. Eines wird bei näherer Betrachtung schnell klar: Genau wie in der Forschung legt Waltraud Schulze auch bei ihren Reisen Wert auf Außergewöhnliches und verlässt in allen Bereichen ihres Lebens gerne ausgetretene Pfade.
Um ihre Erlebnisse einem größeren Publikum zugänglich zu machen, produzieren Schulze und von Heßberg inzwischen CDs, DVDs, Infoblätter, die sie weltweit vertreiben. Zudem veranstalten sie Diaabende und Shows, mit denen sie quer durch die ganze Bundesrepublik touren. Bei so viel Einsatz und Engagement zum Thema Reisen fragt man sich, ob im Leben von Waltraud Schulze überhaupt noch Platz für Forschung ist. Darauf gibt es nur eine Antwort: und ob! Neben ihrer Arbeit am Max-Planck-Institut hat sie die fleischfressenden Pflanzen für sich entdeckt und widmet ihnen eine eigene Website. Wie es weitergeht in Waltraud Schulzes Leben, lässt sich nicht vorhersehen. Doch eins ist sicher: Es bleibt spannend und ungewöhnlich.
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