studiVZ-Gründer Dennis Bemmann hilft jetzt Wachstumsunternehmen auf die Sprünge

Jugend forscht Alumni News | April 2013

1997 gewann Dennis Bemmann beim Jugend forscht Finale den fünften Preis im Fachgebiet Mathematik/Informatik. Bundesweit bekannt wurde der heute 34-Jährige 2006 als einer der Gründer von studiVZ, dem ersten millionenfach genutzten sozialen Netzwerk in Deutschland. Heute ist er Gründer und Vorstand der Berliner Crowdinvesting-Börse BERGFÜRST. Im Alumni News Interview berichtet Dennis Bemmann über seine bemerkenswerte Karriere, die Gründerszene in der Hauptstadt und warum sich eine Unternehmensgründung für Jungforscher lohnt.

Alumni News: Können Sie sich noch an Ihr Projekt RoboCom erinnern, mit dem Sie 1997 beim Bundeswettbewerb von Jugend forscht Fünftplatzierter im Fachgebiet Mathematik/Informatik wurden, und wie Sie zu dieser Arbeit gekommen sind?

Dennis Bemmann: Natürlich! RoboCom ist ein Computerspiel, bei dem die Spieler nicht selbst spielen, sondern Programme schreiben, die das für sie übernehmen. Die Programme laufen dann auf virtuellen Robotern, die sich gegenseitig ausschalten sollen. Als Spieler kann man nicht mehr eingreifen − man muss seine Strategie daher in Algorithmen packen. RoboCom war viele Jahre lang richtig populär, und es gab im Internet internationale Wettbewerbe und Bestenlisten. Heute ist die Software veraltet und die Webseite läuft nicht mehr richtig. Wenn ich mal viel Zeit habe, mache ich sie wieder fit.

Alumni News: Haben Sie vom damaligen Bundeswettbewerb Jugend forscht etwas für Ihr Leben und Ihre Karriere mitgenommen?

Dennis Bemmann: Ich habe viele interessante Leute kennengelernt - zusammen mit anderen Bundessiegern habe ich 2000 das Deutsche Jungforschernetzwerk (juFORUM) gegründet, wir haben den Jungforscher-Congress und das Jungforscher-Magazin "Zahnrad" ins Leben gerufen. Bis heute bin ich mit vielen Mitstreitern von damals befreundet. Für den Verein habe ich auch ein Social Network entwickelt - mein erstes. Man konnte dort Profile mit Foto und Interessen anlegen, Leute suchen, beispielsweise nach Fachgebiet oder Jugend forscht Projekt, es gab einen Instant Messenger und vieles mehr. Etwas Ähnliches habe ich fünf Jahre später mit studiVZ ja noch einmal im großen Maßstab aufgebaut.

Alumni News: Können Sie uns gewissermaßen im Zeitraffer kurz berichten, wie sich Ihr Leben in den vergangenen 15 Jahre entwickelt hat, mit den Highlights Ihrer beruflichen Karriere?

Dennis Bemmann:  Ich habe bei Xilinx in Colorado daran geforscht, wie man schnellere Chips für Internet-Router baut und anschließend als studentischer Mitarbeiter an der Uni IP-Verschlüsselungstechnik entwickelt. Danach habe ich studiVZ gegründet, ein soziales Netzwerk mit 17 Millionen aktiven Nutzern. Seit 2007 habe ich in über 30 Start-up-Unternehmen investiert − darunter auch Firmen, die von ehemaligen Jungforschern gegründet wurden. Seit einem Jahr arbeite ich an BERGFÜRST, einer Crowdinvesting-Plattform, über die Privatleute in junge Unternehmen investieren und zu echten Aktionären werden können.

Alumni News: Aufsehen erregte neben der Entwicklung von studiVZ vor allem der Verkauf der Plattform für 85 Millionen Euro an den Holtzbrinck-Verlag, der Sie und Ihre Partner zu "Frührentnern dank Web 2.0" machte, wie die Tageszeitung "Die Welt" im April 2007 titelte. Wie lebt es sich denn so als Frührentner?

Dennis Bemmann: Ich stehe morgens auf, gehe ins Büro und zwischen 19 und 20 Uhr gehe ich wieder nach Hause.

Alumni News: Ihr neuestes Projekt heißt BERGFÜRST. Was verbirgt sich dahinter?

Dennis Bemmann: BERGFÜRST ist der erste vorbörsliche Online-Handelsplatz für Eigenkapitalbeteiligungen. Darüber kann jeder Geld in innovative junge Unternehmen investieren und von deren Entwicklung profitieren. Ab 250 Euro sind sie dabei. Die Anleger werden dabei zu Miteigentümern auf Augenhöhe, denn sie bekommen echte Aktien. Und wenn sich ihre Markteinschätzung ändert, dann können sie auf unserem elektronischen Handelsplatz jederzeit verkaufen oder nachkaufen.

Alumni News: Wenn wir das Prinzip richtig verstanden haben, dann sind Sie dabei, eine private Börse für Start-ups zu entwickeln. Was ist das Neue daran?

Dennis Bemmann: Ja, das Ganze funktioniert tatsächlich wie eine Börse. Aber nicht für neu gegründete Start-ups, sondern für junge Unternehmen, die schon bewiesen haben, dass Ihr Geschäftsmodell funktioniert. Vier von fünf Start-ups sind ja schon wieder pleite, bevor sie so weit kommen. Die Frankfurter Börse ist das andere Extrem: Dort werden vor allem große Konzerne gehandelt, bei denen kaum noch größere Entwicklungssprünge zu erwarten sind - das ist schon wieder langweilig. BERGFÜRST setzt genau dazwischen an. Bei uns investieren die Leute in Wachstumsunternehmen, die den größten Teil ihrer dynamischen Entwicklung noch vor sich haben und für die Börse noch zu klein sind. Bislang wurden solche Unternehmen von sogenannten Business Angels und VC-Gesellschaften finanziert. Kleinanleger hatten da gar keinen Zugang. Dank BERGFÜRST darf jetzt jeder mitmachen. Wir sind gewissermaßen dabei, Venture Capital zu demokratisieren.

Alumni News: Sie sind Informatiker und Technikchef von BERGFÜRST. Mit welchen Herausforderungen im IT-Bereich sind Sie konfrontiert?

Dennis Bemmann: Eine vollwertige Börse mit automatischen Zahlungsflüssen, Online-Kontoverwaltung und Steuerabführung zu programmieren, ist an sich schon eine herausfordernde Aufgabe. Die Anforderungen sind dabei andere als zum Beispiel bei studiVZ. Dort ging es vor allem um Hochskalierbarkeit. Wir mussten 500 Millionen Seitenabrufe am Tag verarbeiten. Bei BERGFÜRST geht es um Geld; alles muss sicher, konsistent, fehlerfrei und nachvollziehbar sein. Wir werden von der staatlichen Bankenaufsicht reguliert, insofern gelten für uns die gleichen hohen Standards wie für eine Bank.

Alumni News: Von BERGFÜRST profitieren in erster Linie die finanzierten Unternehmen und die Anleger, die über die Plattform in die Firmen investiert haben. Womit verdient denn BERGFÜRST sein Geld?

Dennis Bemmann: Bislang verdienen wir noch kein Geld. Als Einnahmequellen wird es eine erfolgsabhängige Platzierungsprovision geben, die die Unternehmen zahlen, wie auch eine Handelsgebühr von fünf Euro pro Order. Dafür gibt es keinen Spread und keine Depotführungsgebühren. Darüber hinaus bieten wir den Unternehmen Anlegerverwaltung als Dienstleistung an und organisieren beispielsweise Aktionärsversammlungen für sie.

Alumni News: Wie wollen Sie oder Ihr Partner Guido Sandler, der von "Hochrisiko-Klasse" sprach, Menschen davon überzeugen, ihr Erspartes in derart riskante Projekte zu stecken, bei denen sie das Geld am Ende auch verlieren können?

Dennis Bemmann: Wir müssen da niemanden überreden. Die Menschen suchen nach attraktiven Anlagemöglichkeiten und sie sind bereit, dabei ein hohes Risiko einzugehen, wenn auch die Rendite-Chancen entsprechend hoch sind. Viele Leute möchten ihr Geld einfach keinem Bankberater mehr anvertrauen. Bei den synthetischen Finanzprodukten der Banken sind die Risiken auch nicht geringer, aber sie sind so gelagert, dass ein normaler Mensch sie nicht mehr versteht. Das wollen die Menschen nicht mehr. Sie wollen ihr Geld in greifbare Projekte investieren, von denen sie überzeugt sind. Darüber möchten sie selbst entscheiden. Und sie wollen die Flexibilität, ihre Entscheidung jederzeit korrigieren zu können. Dafür steht BERGFÜRST.Und nebenbei bemerkt: Wenn Unternehmen mit dem Geld der Anleger Arbeitsplätze schaffen, dann ist das auch für die Volkswirtschaft viel sinnvoller, als wenn Banken das Geld bloß hin- und herschieben und damit irgendwelche Wetten an den Finanzmärkten abschließen.

Alumni News: Haben Sie eigentlich auch ein Privatleben?

Dennis Bemmann: Ich spiele mit meinem kleinen Sohn und mache Musik. Und inzwischen bin ich ein ganz passabler Fashion-Fotograf. Ich habe für verschiedene Designer und Magazine geshootet und bekomme mehr Anfragen als ich annehmen kann. Ein weiteres Hobby sind Sprachen. Nach Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Esperanto und Thai lerne ich jetzt gerade Italienisch. Wenn ich 50 Jahre alt bin, will ich zehn Sprachen fließend sprechen können. Ich reise auch unheimlich gern. Nach dem studiVZ-Verkauf habe ich mir ein Round-The-World-Ticket gegönnt, war viel unterwegs und habe unter anderem den 5 895 Meter hohen Kilimandscharo bestiegen. Darüber hinaus habe ich eine Zeit lang in einem buddhistischen Kloster im südthailändischen Urwald gelebt und von den Mönchen meditieren gelernt. Für Reisen bleibt jetzt leider keine Zeit mehr, aber in Berlin kann man es zum Glück aushalten.

Alumni News: Haben Sie schon mal daran gedacht, ins Silicon Valley nach San Francisco zu gehen? Oder etabliert sich gerade ein vergleichbares "Tal" in Berlin?

Dennis Bemmann: Ich hatte ein paar Angebote aus dem Silicon Valley und finde die Gegend auch ganz reizvoll. Für Gründer ist aber auch Berlin eine super Adresse. Hier geht ziemlich viel, jeder gründet gerade irgendetwas. Es gibt eine Menge innovative Ideen, die Lebenshaltungskosten sind niedrig. Inzwischen kommen die Leute bereits aus dem Ausland eigens zum Gründen in die deutsche Hauptstadt, so wie etwa SoundCloud aus Schweden. Nur die Venture-Capital-Szene ist hier noch unterentwickelt. Aber daran arbeiten wir ja jetzt.

Alumni News: Viele Ihrer ehemaligen Jugend forscht Kollegen haben sich der Forschung verschrieben. Haben Sie auch einmal mit einer Hochschulkarriere geliebäugelt?

Dennis Bemmann: Zunächst einmal müsste ich dann mein Diplom machen, das fehlt mir ja immer noch! Zu Uni-Zeiten habe ich ein bisschen geforscht und Papers auf wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellt. Als Jungforscher weiß man ja, wie das geht. Ich bin aber weit mehr Unternehmer als Akademiker.

Alumni News: Welche Tipps können Sie der heutigen Generation von Jungforschern für die berufliche Zukunft mit auf den Weg geben?

Dennis Bemmann: Denkt unbedingt mal darüber nach, etwas Eigenes zu gründen. Als Jungforscher seid ihr vermutlich ohnehin "Macher" und bringt so schon die richtige Einstellung mit. Eine Unternehmensgründung ist keine sehr komplizierte Sache und muss auch nicht teuer sein. Investoren sind immer auf der Suche nach vielversprechenden Projekten. Gerade nach dem Studium oder nach der Ausbildung ist ein idealer Zeitpunkt zum Gründen, und man hat praktisch nichts zu verlieren. Selbst wenn eure Firma scheitert, habt ihr viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ihr könnt euch dann immer noch um einen Job als Angestellter bewerben, dafür habt ihr im Lebenslauf aber einen Joker, den andere Bewerber nicht vorweisen können.

Alumni News: Lieber Herr Bemmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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