Auf den Spuren von Mark Zuckerberg & Co

Jugend forscht Alumni News | Oktober 2011

Schon als Schüler war Mario Schlosser (33) von Technik begeistert. Bei Jugend forscht konstruierte er einen Datenhelm mit integrierter Kamera und gewann damit beim Jugend forscht Finale 1997 den vierten Preis

Zehn Jahre später gründete der Computerexperte gemeinsam mit zwei Kommilitonen in Harvard eine Firma, die sich mittlerweile zu einem erfolgreichen Online-Spielehersteller mit Sitz in São Paulo, Buenos Aires und New York entwickelt hat. Im Interview mit Jugend forscht Alumni News berichtet er über den Start von „Vostu“ und vor welchen Herausforderungen das Untermnehmen derzeit steht.

Alumni News: Welche Art von Spielen entwickelt Ihr Unternehmen?

Mario Schlosser: Wir entwickeln „social games“, Online-Spiele, die mit Freunden auf sozialen Netzwerken gespielt werden. Pro Monat haben wir etwa 25 Millionen aktive Nutzer, von denen die meisten aus Brasilien stammen – auf „orkut“, einem brasilianischen Social-Network, und auf Facebook. Unsere erfolgreichsten Spiele sind „Mini Fazenda“, „Megacity“, „Cafe Mania“ – eine Farm-, eine Stadt- und eine Restaurant-Simulation. „Gol Mania“, unser jüngstes Spiel, kam gerade erst vor zwei Wochen auf den Markt und erlaubt Spielern, auf Facebook gegeneinander Fußball zu spielen.

Alumni News: Wie entstand die Idee für Ihr international tätiges Unternehmen?

Mario Schlosser: 2006 war ich an der Harvard Business School, um dort einen MBA zu machen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon seit einer Weile an Ideen im Bereich „social networking“ gearbeitet. Einige Jahre zuvor war ich in Stanford, um am dortigen Computer Science Department im Bereich „peer-to-peer networks“ zu forschen. Ich war also schon recht vertraut mit Netzwerktopologien und Informationsausbreitung in chaotisch verknüpften Netzwerken.

Zu dieser Zeit bin ich dann ganz bewusst nach Harvard gegangen, um während der zwei MBA-Jahre zu versuchen, mit Mitstudenten möglichst viele Start-up-Ideen zu realisieren. Dort traf ich dann Daniel Kafie, einen Kommilitonen aus Honduras. Der war kurz zuvor Klassenkamerad von Mark Zuckerberg, dem Facebook-Gründer, am Harvard College gewesen und wollte der Idee von Facebook in Südamerika zum Durchbruch verhelfen. Facebook verzeichnete zu diesem Zeitpunkt international noch kein besonderes Wachstum. Also fing ich an, meinen bestehenden Code umzuschreiben, um ihn für „Vostu“, ein südamerikanisches „social network“, zu verwenden.

Nach Harvard sind Daniel und ich dann für einige Monate nach Palo Alto übergesiedelt, ins Herz des Silicon Valley. Dann bekam ich aber erstmal kalte Füße und bin zurück nach New York, um dort für einen Hedgefonds zu arbeiten, half aber Daniel parallel weiter mit „Vostu“. Etwa ein Jahr später sah ich in Deutschland einige damals populäre Online-Spiele, und wir fingen an, mit „Vostu“ an ähnlichen Ideen zu arbeiten. Das leitete dann das explosive Wachstum ein.

Ende 2009 hielt ich es bei dem Hedgefonds nicht mehr aus und bin zurück zu „Vostu“. Das Unternehmen hatte zu dieser Zeit rund 25 Mitarbeiter. Im Verlauf der nächsten anderthalb Jahre wuchs der Mitarbeiterstamm dann auf fast 600 Leute an. Auch einige meiner Kollegen aus dem Hedgefonds arbeiten heute mit mir an Spieldesign und -simulation bei „Vostu“. Auf diese Weise kam unsere internationale Struktur zustande: Wir haben heute 500 Mitarbeiter in Buenos Aires, 50 in São Paulo und 25 in New York. Ich wohne in New York, verbringe aber bestimmt fast die Hälfte meiner Zeit in Buenos Aires und São Paulo.

Alumni News: Welche Ereignisse in Ihrem Leben haben Ihnen Mut gemacht, diesen Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?

Mario Schlosser: Ich habe schon immer gerne und neugierig an allen möglichen Ideen herumgetüftelt. Jugend forscht war für mich damals die erste große Ermunterung, dass aus meinen Ideen etwas Erfolgreiches entstehen und dass man andere für die eigenen Ideen begeistern kann. Die andere große Erkenntnis aus meiner Jugend forscht Zeit war für mich, dass ich mich von da an immer mit ebenso kreativen und neugierigen Leuten umgeben wollte, wie ich das bei Jugend forscht kennengelernt hatte.

Stanford und Harvard sind nicht deshalb toll, weil man da irgendwas lernen würde, was man nicht auch woanders erklärt bekommen könnte, sondern weil dort Leute an einem Ort konzentriert sind, die alle auf ihre Weise an interessanten und bewegenden Dingen arbeiten wollen. Meine Zeit bei Jugend forscht habe ich ganz genauso in Erinnerung. Das war also mit Sicherheit ein wichtiger Faktor. Außerdem habe ich irgendwann gelernt, dass man mit neugierigem und richtig hartnäckigem Basteln eine Menge erleben und erreichen kann.

Nach Stanford bin ich gekommen, indem ich viele Professoren und Forscher dort kontaktiert habe, um mit ihnen an Ideen arbeiten zu können. Das hat dann irgendwann geklappt. Aber erst beim x-ten Mal. Als ich dann schließlich „Vostu“ gründete, war mir schon klar, dass man eher mit Dranbleiben und Hartnäckigkeit Firmen gründet – und weniger mit einmaligen Ideen.

Alumni News: Ihr Unternehmen ist, gemessen an der Zahl der Mitarbeiter, in nur einem Jahr sehr stark gewachsen. Wie haben Sie dieses geradezu explosive Wachstum als „Chief Scientist Officer” gemanagt?

Mario Schlosser: Zum einen mit Superleuten um mich herum, die alle ein ähnliches Wertesystem haben wie ich, auch wenn sie in ganz verschiedener Weise denken. Ein sehr interessanter Aspekt der Spieleherstellung ist der Mix von Technologie und Graphikdesign. Wenn ich versucht hätte, das beides zu managen, wären wir über fünf Leute nicht hinausgewachsen. Aber Miguel und Andres, „Chief Creative Officer“ und „Chief Technology Officer“ in Buenos Aires, haben ihre bunten Truppen von Programmierern und Designern selbst zusammengebaut, während Daniel und ich aus unseren „früheren Leben" Leute zu „Vostu“ gebracht haben, die wiederum völlig andere Teile des Business sehr gut verstehen.

Jan, ein Freund, den ich bei McKinsey kennengelernt habe, leitet unser Analytics-Team, und Neil, ein promovierter Mathematiker aus Stanford-Zeiten, führt das Research-Team. Wichtig waren uns von Beginn an professionelle Strukturen. Wir haben frühzeitig ein HR-Team aufgebaut, das sich nur auf Recruiting und Evaluation konzentriert. Und schließlich ist bei einem solchen Wachstum immer auch eine enorme Menge gutes Timing und Glück dabei.

„Vostu“ bestand für fast zwei Jahre aus einer kleinen Handvoll an Leuten, und wir haben damals langsam und ohne zündende Ideen, aber mit einer Menge an kontinuierlichen Fehlversuchen unsere frühe „venture capital“-Phase durchlaufen. Dann kam der Wechsel zur Spieleentwicklung. Wir haben immer versucht, systematisch den Markt zu beobachten, immer alles genau zu analysieren und zu erklären. Und so denken und arbeiten wir auch heute noch. Aber die Tatsache, dass wir irgendwann auf „social games“ umgestiegen sind, bevor die zum absoluten Renner und zu dem Business wurden, das sie heute sind, war einfach einer eher zufälligen Beobachtung geschuldet. Mein Tipp also: Immer die Augen offen halten, immer tief in der Materie denken. Dann kommen auch die Ideen und die Gelegenheiten. Und dann voll auf’s Gaspedal treten, aber immer mit konstant offenen Augen!

Alumni News: Was sind die größten Herausforderungen, mit denen „Vostu“ kurz- und mittelfristig konfrontiert sein wird?

Mario Schlosser: „Social games“ sind in wenigen Jahren zu einem großen globalen Business gewachsen. Wenn das in der Technologiewelt passiert, fließt eine Menge an „venture capital“ in derartige Wachstumsbereiche. Das passiert zum Beispiel auch gerade im „daily deals"-Bereich –ein Beispiel ist die Firma „Groupon“ – und erzeugt schnell ein Überangebot an Start-ups. Dann geht es durch einen „Shake-out-Phase“, wenn Kaufinteressenten versuchen, den Aktienkurs zu manipulieren, um billig einsteigen zu können. Und der ist nicht einfach zu navigieren.

Das passiert in unserem Bereich sicherlich momentan auch, und man überlebt das nur, wenn man die guten Zeiten genutzt hat, um wirklich beständige Strukturen aufzubauen und Talente zu bündeln, die andere Firmen nicht haben. Darauf haben wir uns immer konzentriert, aber einfach ist das trotzdem nicht.

Mittelfristig gesehen, werden sich „social games“ als Format weiterentwickeln. Wie das genau aussehen wird, ist eine Riesenfrage, die wir uns immer wieder stellen, und die wir permanent in verschiedensten Formen mit unseren Spielern testen. „Social games“ haben Computerspiele einem Publikum zugänglich gemacht, das vorher niemals gespielt hat. Unsere User konsumieren die Spiele mit einem hohen Zeiteinsatz und zum Glück auch mit einer großen kreativen Energie. Das bedeutet, dass wir noch viel mehr Storys in den Spielen erzählen und dass die Spiele noch um einiges komplexer werden können. Wie das genau aussieht, untersuchen und testen wir ständig.

Als „Chief Scientist“ leite ich den „core loop" unserer Spieleentwicklung: Wir erstellen fortwährend Analysen unserer Spieledaten und lernen daraus, wie unsere Nutzer mit den Spielen interagieren. Wir wissen zum Beispiel, dass etwa 15 Prozent der User tatsächlich „rechnen", das heißt, die ökonomisch sinnvollsten Entscheidungen in den Spielen treffen. Der Rest der User trifft Entscheidungen basierend auf anderen Gesichtspunkten, zum Beispiel basierend auf dem höchsten „visual reward", also dem am besten aussehenden Gegenstand im Spiel.

Aus solchen Einsichten leiten wir dann ganz schnell ab, was wir in den Spielen ändern müssen. So erzeugen wir jede Woche neue Features, neues „gameplay“ und neuen „content“ in den Spielen. Sowohl kurz- als auch mittelfristig ist es die größte Herausforderung, diesen „core loop" effizient und effektiv zu managen – und einfach super Spiele zu entwickeln.

Alumni News:
Was muss ein Jungforscher mitbringen, der sich bei Ihrem Unternehmen bewerben will?

Mario Schlosser: Wir haben ein großes Team um ehemalige Hedgefonds-Trader, das sich nur um die Analyse der Daten in den Spielen kümmert und daraus Entscheidungen zum Spieledesign ableitet. Das Denken in diesem Team ist sehr systematisch, aber gleichzeitig extrem praxisorientiert. Denn am Ende schauen wir uns da eben doch nur an, wie Menschen in einem Spiel interagieren – wenn auch auf teilweise komplexe Art und Weise.

In dem Team brauchen wir noch jede Menge kreative Denker. Da wir Spiele entwickeln und unsere Erkenntnisse irgendwie mit kreativen Spieledesignern diskutieren wollen, kommt es uns da auch auf eine Menge an „common sense" an und auf die Fähigkeit, sich in User hineinzudenken. Vorher haben viele von uns ihre gesamte Zeit damit verbracht, Währungs- und Handelsströme zu modellieren, und heute können wir solche Ströme in den Spielen einfach selbst erzeugen. Das macht richtig Spaß, und diesen Spaß sollte wirklich jeder mitbringen, der bei uns arbeiten möchte.

Alumni News:
Lieber Herr Schlosser, weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.


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