Vom Jungforscher zum Jugendbotschafter der UN-Dekade

Jugend forscht Alumni News | Juli 2012

Der Bundesumweltminister ernannte Justin Müller aus Westerstede im September vergangenen Jahres zum Jugendbotschafter der deutschen UN-Dekade Biologische Vielfalt von 2011 bis 2020. Beim Jugend forscht Finale 2009 gewann der 20-Jährige den vierten Preis im Fachgebiet Biologie mit seiner Forschungsarbeit über trockengelegte Hochmoore. Im Interview mit Jugend forscht Alumni News berichtet der vielseitig interessierte Niedersachse unter anderem über sein Engagement für die UN-Dekade und seine politischen Aktivitäten auf Kreisebene

Alumni News: Justin, Sie sind jetzt 20 Jahre alt und haben gerade Ihr Abitur an der Europaschule Gymnasium Westerstede abgelegt. Der Lebenslauf auf Ihrer Homepage liest sich angesichts der Fülle von Aktivitäten eher wie der eines Dreißigjährigen. Wie schaffen Sie das alles? Wie hat es angefangen? Und gibt es ein Erfolgrezept?

Justin Müller: Es hat damals mit Jugend forscht bzw. Schüler experimentieren angefangen. Die Naturwissenschaften faszinierten mich. Allerdings wollte ich mich nicht nur mit rein naturwissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigen und schaute daher über den Tellerrand hinaus. Auf diese Weise kamen spannende politische und wirtschaftliche Aspekte hinzu, mit denen ich mich ebenfalls befassen wollte. Durch die Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen bekam ich immer wieder neue Ideen für Projekte. Meine unterschiedlichen Aktivitäten machen mir Spaß und ich freue mich, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Außerdem profitiere ich sehr vom Rückhalt in meiner Familie und vom Austausch mit meinen Freunden. Und schließlich denke ich, dass man das, was man tut, aus innerer Überzeugung tut und dass man immer für die eigenen Ideale eintreten sollte.

Alumni News: Vor einem knappen Jahr wurden Sie Jugendbotschafter für die deutsche Dekade Biologische Vielfalt von 2011 bis 2020 der Vereinten Nationen. Wie kam es dazu?

Justin Müller: Auf Empfehlung einer Bekannten aus dem regionalen Naturschutz nahm ich im vergangenen Jahr an einem Kongress der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zum Thema „Biologische Vielfalt“ teil. Dort hatte ich unter anderem Gelegenheit, bei einer Podiumsdiskussion mit dem damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen zu diskutieren. Das Gespräch mit ihm und anderen Umweltexperten war sehr anregend und eine tolle Erfahrung. Nach der Veranstaltung wurde ich im September 2011 gefragt, ob ich mich als Jugendbotschafter für die deutsche Dekade der Vereinten Nationen zum Thema „Biologische Vielfalt“ engagieren wolle. Nachdem ich mir darüber klar geworden war, ob ich diese Aufgabe bis immerhin 2020 übernehmen könnte, habe ich das Angebot gerne angenommen. Es ist eine einmalige Chance, auch länderübergreifend etwas für den Naturschutz zu tun, viele Menschen auf die Wichtigkeit der biologischen Vielfalt aufmerksam zu machen und spannende Projekte kennenzulernen.

Alumni News: Was sind die Hauptziele der UN-Dekade Biologische Vielfalt?

Justin Müller: Das Jahrzehnt 2011 bis 2020 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) zur UN-Dekade der Biodiversität (United Nations Decade of Biodiversity) erklärt. Damit folgen die Vereinten Nationen einer Empfehlung der CBD (Convention on Biological Diversity), die diese Initiative auf ihrer 10. Vertragsstaatenkonferenz im Oktober 2010 in Nagoya/Japan angeregt hatten. Auf Grundlage der UN-Vereinbarung zur biologischen Vielfalt aus dem Jahr 1992 wurde im Jahr 2007 vom Deutschen Bundestag die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt beschlossen. Anhand der Strategie soll die internationale Vereinbarung bei uns in Deutschland umgesetzt werden. Die Dekade wurde ausgerufen, um diesen Prozess zu unterstützen. Bei uns liegt der Fokus dabei auf der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung.

Grundsätzliches Ziel der UN-Dekade ist es, bis 2020 den Stellenwert des Themas „Biologische Vielfalt“ in der Öffentlichkeit wahrnehmbar zu steigern.

Alumni News: Was bedeutet Biologische Vielfalt und warum brauchen wir sie?

Justin Müller: Biologische Vielfalt oder auch Biodiversität meint die Gesamtheit aller Arten und aller Ökosysteme sowie die genetische Vielfalt. Viele Menschen wissen nicht, dass wir abhängig von der biologischen Vielfalt sind und daher lernen bzw. akzeptieren sollten, sorgsam mit ihr umzugehen.

Die Bedeutung der biologischen Vielfalt kann man sich sehr gut an der Funktion der Pflanzen auf unserem Planeten veranschaulichen. Durch den Prozess der Photosynthese wird das von uns ausgeatmete Kohlenstoffdioxid wieder zu überlebenswichtigem Sauerstoff umgewandelt. Die biologische Vielfalt sorgt aber beispielsweise auch dafür, dass wir fruchtbaren Boden haben, dass Gewässer gereinigt oder andere kostenlose „Dienstleistungen“ von der Natur für uns übernommen werden.

Wirtschaftlich ist eine hohe biologische Vielfalt von großer Bedeutung für die Land- und Forstwirtschaft, aber auch für den Tourismus oder das Gesundheitswesen. So verwendet man etwa bei Vergiftungen von Menschen als Gegenmittel häufig Aktivkohle. Diese Kohle wird unter anderem aus Schwarztorf gewonnen, der aus abgetorften Hochmooren stammt. Dies ist nur ein Beispiel für viele wichtige Medikamente, die auf pflanzlicher Basis hergestellt werden, bei denen wir auf die biologische Vielfalt in der Natur angewiesen sind.

Voraussetzung für viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, ist, dass die Natur, die Umwelt, die biologische Vielfalt intakt sind und bleiben. Die aktuelle Aussterberate bei Pflanzen- und Tierarten liegt aber weit über dem, was bislang angenommen wurde.

Alumni News: Was waren bisher Ihre interessantesten Aufgaben als Jugendbotschafter?

Justin Müller: Ich wollte vor allem direkt vor Ort verschiedenste Projekte kennenlernen. Diese Erwartung hat sich voll erfüllt. Sei es in der Großstadt oder auf dem Land – die Menschen engagieren sich auf vielfältige Weise für dieses wichtige Thema und dabei arbeiten verschiedene Gruppen der Gesellschaft intensiv zusammen. Das war für mich sehr interessant. Darüber hinaus nehme ich an Veranstaltungen teil, bei denen ich viel lerne und sehr interessante Leute treffe.

So habe ich zum Beispiel bei einer der Veranstaltung zur Biologischen Vielfalt ein Idol meiner Kindheit kennenlernen dürfen, Willi Weitzel von der Sendung „Willi will’s wissen“. Auch er arbeitet als UN-Dekade-Botschafter. Sein Autogramm hat einen Ehrenplatz auf meinem Schreibtisch.

Alumni News: Als UN-Dekade-Jugendbotschafter sind Sie für die nächsten acht Jahre bis 2020 eine Verpflichtung eingegangen. Wie sehen Ihre persönlichen Planungen für die kommenden Jahre aus?

Justin Müller: Zunächst werde ich nicht zuletzt auch wegen meiner kommunalpolitischen Aktivitäten in Westerstede bleiben und zur Universität nach Oldenburg pendeln. Ich interessiere mich für ein duales Studium beim regionalen Energieversorger EWE, oder ich werde Wirtschaftswissenschaften in Verbindung mit Biologie studieren. Letztlich möchte ich im Umweltbereich arbeiten. Bevor ich 2013 mit dem Studium beginne, will ich das kommende Jahr dafür nutzen, meine Arbeit als Jugendbotschafter der UN-Dekade zu intensivieren und mich auch kommunalpolitisch weiter zu engagieren.

Alumni News: Jugend forscht war ein Meilenstein in Ihrem Leben, haben Sie einmal gesagt. Warum war die Teilnahme am Wettbewerb so wichtig für Sie?

Justin Müller: Mein Einstieg erfolgte damals quasi wie von selbst: Ich interessierte mich für naturwissenschaftliche Zusammenhänge und habe mich zunächst mit einer Biogasanlage hier in der Region befasst. Später habe ich das Ökosystem „Hochmoor“ in den Blick genommen. Ich wollte mich mit anderen darüber austauschen und auch zeigen, was ich selbst in intensiver Arbeit herausgefunden hatte. Da bot sich Jugend forscht an. An meiner ehemaligen Schule hatten wir engagierte Lehrer, die mich und andere an den Wettbewerb heranführten. Insgesamt habe ich sechsmal an Jugend forscht teilgenommen. Gleich beim ersten Mal wurde ich vom Jufo-Virus infiziert und wollte dieses Feeling nicht mehr missen.

Alumni News: Sie haben sich vergangenes Jahr als jüngster Kandidat für den Kreistag des Ammerlandes zur Wahl gestellt. Geht es Ihnen bei der politischen Arbeit hauptsächlich darum, Umweltthemen voranzubringen?

Justin Müller: Nein, nicht nur. In der Politik gibt es zwangsläufig Themen, an denen einem persönlich sehr gelegen ist. Bei mir sind es die Umwelt- und Energiepolitik, Jugend- und Bildungsthemen und der Bereich Sozialpolitik. Dabei finde ich es spannend, interdisziplinär zu arbeiten und Verbindungen zwischen den einzelnen Fachgebieten herzustellen. So kann man beispielsweise Umwelt- und Bildungspolitik sehr gut verknüpfen. Durch persönliche Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern erfahre ich, wo konkret die Probleme liegen. Und der Dialog gibt mir auch neuen Mut und neue Energie, etwas zu ändern.

Alumni News: Bleibt bei so vielen Aktivitäten überhaupt ausreichend Zeit für Ihr Privatleben?

Justin Müller: Ja. Wenn ich nach Veranstaltungen nach Hause komme, genieße ich es, mit meiner Familie zusammen zu sein und mit meinen drei Hunden spazieren zu gehen. Abends treffe ich mich mit Freunden in der Kneipe und wir reden oder spielen Billard. Ich habe also noch ein Privatleben, in dem es nicht nur um Politik und Umweltthemen geht. Trotz allem bin ich ein ganz normaler Jugendlicher.

Alumni News: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und viel Glück für die Zukunft!


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