Melanie Bonnekessel – ein Forscherleben zwischen Deutschland und den USA

Jugend forscht Alumni News | Juni 2009

Die Jugend forscht Preisträgerin Dr. Melanie Bonnekessel (31) ist trotz einer noch jungen Karriere als Wissenschaftlerin in der Welt der Forschung schon weit herumgekommen: Ihr Studium absolvierte sie in Aachen, die Diplomarbeit folgte in Berkeley, für die Doktorarbeit ging es zurück nach Deutschland nach Mülheim/Ruhr, ihre Postdoc-Zeit verbrachte sie am MIT in Boston und aktuell forscht sie bei BASF SE in Ludwigshafen

Im Interview mit Jugend forscht Alumni News berichtet die Forscherin von dem wichtigen Einfluss, den Jugend forscht auf ihre Karriere hatte, von ihren persönlichen Erfahrungen in Deutschland und den USA und vom Braindrain, der den deutschen Arbeitsmarkt bedroht.

Alumni News: Sie haben ja bereits eine abwechslungsreiche wissenschaftliche Karriere hinter sich. Wann wurde Ihr Interesse für Naturwissenschaften und das Forschen geweckt? Hat Jugend forscht hier eine Rolle gespielt?

Melanie Bonnekessel: Mein Interesse an Naturwissenschaften und am Forschen entwickelte sich im Laufe der Schulzeit. Ein spannender naturwissenschaftlicher Unterricht in Chemie und Physik hat erheblich dazu beigetragen. Jugend forscht könnte man quasi als Initialzündung für mein Studium der Chemie bezeichnen. In unserer Jugend forscht Zeit habe ich gelernt, was wissenschaftliches Forschen bedeutet. Man benötigt Ausdauer und Geduld sowie eine gute Portion Kreativität und Improvisationstalent. Belohnt wird man dafür mit spannenden wissenschaftlichen Ergebnissen. Insbesondere im Hinblick auf das Studium war auch die Präsentation des Projekts im Dialog mit den Juroren und den Besuchern eine überaus wertvolle Erfahrung.

Alumni News: Bei ihrer zweiten Teilnahme bei Jugend forscht 1996 wurden Sie gemeinsam mit zwei Forscherkolleginnen mit dem 4. Preis im Fachgebiet Physik ausgezeichnet. Sie beschäftigten sich damals mit „Methoden zur Untersuchung SE-substituierter Hochtemperatursupraleiter“. Wie kam es dazu, dass Sie sich am Wettbewerb beteiligten und was genau verbirgt sich hinter dem Thema?

Melanie Bonnekessel: Wir sind durch unseren Physiklehrer auf Jugend forscht aufmerksam geworden. Eines Tages fragte er in die Runde unseres Physikkurses, ob jemand Interesse hätte, sich an einem Jugend forscht Projekt zu beteiligen. Meine beiden Schulkameradinnen und ich waren spontan dabei. Wir vertieften uns mit Enthusiasmus in das Thema „Hochtemperatursupraleiter“, wobei wir auf die Arbeiten der Jufo-Vorgänger an unserer Schule aufbauen konnten. Supraleiter sind elektrische Leiter, die Strom ohne Energieverluste leiten. Beim Unterschreiten einer extrem tiefen Temperatur, der sogenannten Übergangstemperatur, verliert das Material sprunghaft seinen elektrischen Widerstand. Einsatz finden die Stoffe heute beispielsweise bereits in der Medizin in Kernspintomografen. Für unser Projekt synthetisierten wir zunächst die supraleitenden Verbindungen und entwickelten dann eine zuverlässige Methode zur Bestimmung der Übergangstemperatur beim Abkühlen und Aufwärmen der Probe. Zudem tüftelten wir an weiteren Aufbauten zur Bestimmung zusätzlicher kritischer Parameter für den supraleitenden Zustand unserer Verbindungen.

Alumni News: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren beiden Forscherkolleginnen Anne Fickers und Vanessa Metten?

Melanie Bonnekessel: Zum 10-jährigen Jubiläum unserer Jugend forscht Teilnahme haben wir uns mit unserem ehemaligen Physiklehrer und Jugend forscht Mentor getroffen. Durch die Jugend forscht Perspektiv Foren haben sich zudem einige langjährige Freundschaften entwickelt. Und wie es der Zufall wollte, hat es uns aus beruflichen Gründen allesamt in den süddeutschen Raum verschlagen.

Alumni News: Nach dem Abitur sind Sie nach Aachen gegangen, um Chemie und Physik zu studieren. Für die Diplomarbeit ging es dann an die renommierte University of California in Berkeley. Wie kam es dazu?

Melanie Bonnekessel: Aufgrund meiner Platzierung beim Bundeswettbewerb wurde ich bei der Studienstiftung des deutschen Volkes für ein Stipendium vorgeschlagen und dann tatsächlich auch ausgewählt. Über die Studienstiftung habe ich mich anschließend für ein Stipendium der Dr. Jürgen-Ulderup-Stiftung beworben. Durch ihre finanzielle Unterstützung wurde mir meine Diplomarbeit in Berkeley möglich gemacht. Berkeley war für mich eine wertvolle Station während meines Studiums. Die Universität ist ein optimaler Ort für Forscher.

Alumni News: Sie haben ja nun den direkten Vergleich: Sind die Studienbedingungen in den USA eigentlich wirklich besser als in Deutschland?

Melanie Bonnekessel: Ich denke, dass beide Länder ihre Vor- und Nachteile haben. Die USA haben einige ausgewählte Universitäten, an denen Spitzenforscher in einer entsprechend geförderten positiven Umgebung kreative Ideen in die Tat umsetzen können. Der „Yes we can“-Spirit steht den Amerikanern gut zu Gesicht. Die Europäer brauchen sich jedoch keineswegs hinter den USA zu verstecken. Auch hier wird viel in das „Zukunftsprojekt Bildung“ investiert. Vor allem gibt es bei uns einen freien Zugang zu den Hochschulen, der nicht durch extrem hohe Studiengebühren beschränkt ist. Unsere universitäre Ausbildung, so wie ich sie kennengelernt habe, ist sehr breit angelegt und lässt ausreichend Raum für Freiheit und Kreativität. Deutschland war und ist ein attraktiver Standort für eine solide und effiziente Ausbildung.

Alumni News: Nach dem Studium ging es dann für Sie zunächst zurück nach Deutschland zum Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr, wo Sie Ihre Doktorarbeit zum Thema „Eisen-katalysierte Kreuzkupplungen und Totalsynthese von Myxovirescin A1“ geschrieben haben. Warum zog es Sie wieder zurück in die Heimat?

Melanie Bonnekessel: Für mich stand der Entschluss fest, meine Promotion in Deutschland zu machen. Zum einen aus praktischen Gründen: Ein Ph.D. in den USA dauert fünf Jahre im Vergleich zu weitaus attraktiveren drei Jahren Doktorarbeit in Deutschland. Zum anderen sind die Max-Planck-Institute international bekannt für ihre exzellenten Forschungsbedingungen, die ich gerne kennenlernen wollte. In der Tat hatte ich das Glück, am MPI in Mülheim/Ruhr sehr selbstständig und frei promovieren zu dürfen. Zudem stand mir dort eine hervorragende Infrastruktur zur Verfügung. In besonders guter Erinnerung ist mir die kameradschaftliche Atmosphäre unter uns Studenten und Postdocs aus allen Teilen der Welt geblieben.

Alumni News: Offenbar hat Sie die USA aber doch noch nicht ganz losgelassen: Nach der Doktorarbeit ging es für Sie wieder in die USA, nämlich nach Boston, an das Massachusetts Institute of Technology (MIT), eine der weltweit führenden Universitäten. Warum fiel die Entscheidung gegen eine Fortsetzung Ihrer Arbeit in Deutschland?

Melanie Bonnekessel: Ich würde nicht behaupten wollen, dass es eine Entscheidung „gegen“ Deutschland war. Ich war auf der Suche nach einer interdisziplinären Arbeitsgruppe und wollte mehr über das Thema Biochemie lernen. Wie es der Zufall wollte, war ich durch einen potenziellen Habilitanden meines Chefs am Max-Planck-Institut auf die Arbeitsgruppe am MIT aufmerksam geworden, die sich auf dem Gebiet der Entwicklung von „Chemical Tools“ zur Aufklärung von biologischen Zusammenhängen auszeichnete. So ergab sich meine Bewerbung am MIT.

Alumni News: Wie erlebten Sie die Arbeit am MIT und wie lebte es sich als Deutsche in den USA?

Melanie Bonnekessel: Meine Erwartungen an eine Spitzeninstitution in den USA wurden insbesondere in Bezug auf die instrumentelle Ausstattung und den wissenschaftlichen Service nur teilweise erfüllt. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich am Max-Planck-Institut „verwöhnt“ wurde. Meine Einschätzung ist aber bestimmt kein Einzelfall. Allerdings erlernt man so das Improvisieren. Zudem war die wissenschaftliche Arbeit und der Austausch mit den Kollegen am MIT sehr lehrreich für mich. Boston selbst hat mir besonders aufgrund des europäischen Charakters gefallen. Auch in Kalifornien habe ich mich schnell eingewöhnt. Die Westküstler habe ich als sehr liberal und aufgeschlossen erlebt. Ich habe sehr gerne in den USA gelebt und erinnere mich mit Freude an die Zeit zurück, in der internationale Freudschaften entstanden.

Alumni News: Um ihren bisherigen Werdegang nun zu komplettieren: Seit Herbst 2008 sind Sie wieder in der Heimat, genauer gesagt bei BASF SE in Ludwigshafen. Hat sich Ihr Blick auf Deutschland durch die Zeit in den USA verändert?

Melanie Bonnekessel: Meine Aufenthalte in den USA haben mir sehr gefallen, ich habe viel über Land und Leute gelernt und mich mit internationalen Kollegen austauschen können. Man beginnt zu vergleichen und weiß vielleicht manche Dinge in Deutschland mehr zu würdigen, manch andere würde man lieber ändern wollen. Hier zeichnet man sich durch Effektivität und Bodenständigkeit aus – und auch das Häuserbauen ist im direkten Vergleich eine wahre Stärke. In den USA hingegen sind mir der amerikanische Grundoptimismus, die Freundlichkeit und der „can do spirit“ sehr positiv aufgefallen. Ich bin zurückgekehrt, wie übrigens viele meiner Kollegen aus Boston, in die Heimat zu Familie und Freunden.

Alumni News: Womit beschäftigen Sie sich bei BASF derzeit? Hat das Thema noch etwas mit Ihrer Jugend forscht Arbeit von 1996 zu tun?

Melanie Bonnekessel: Derzeit arbeite ich bei der BASF SE als Research Scientist auf dem Gebiet der Biokatalyse. Wir entwickeln optisch aktive Zwischenprodukte unter Zuhilfenahme von Enzymen als Katalysatoren. Diese finden vor allem in Pharmawirkstoffen Anwendung. Unser Motto lautet dabei „Biologie und Chemie Hand in Hand“. Die Parallele zu unserem Jugend forscht Projekt ergibt sich dabei in der Interdisziplinarität des Arbeitsgebietes.

Alumni News:
Deutschland wird derzeit massiv vom sogenannten Braindrain bedroht: überproportional viele Hochqualifizierte verlassen Deutschland und arbeiten im Ausland, insbesondere in den USA. Was muss getan werden, um den deutschen Wissenschaftsstandort für hochqualifizierte Fachkräfte wie Sie attraktiver zu machen?

Melanie Bonnekessel: Wenn das Geld eine Rolle spielt, werden die hochqualifizierten Fachkräfte von den hohen Steuern hier in Deutschland sicherlich abgeschreckt. Die Verdienstmöglichkeiten sind in den USA weitaus höher. Minuspunkte dagegen sammeln die USA bei Urlaub und Gesundheitssystem. Man sollte in jedem Fall die Leistungsträger in Deutschland stärker zu würdigen wissen! Erste Tendenzen in diese Richtung sind an deutschen Universitäten aber mittlerweile erkennbar: Man bemüht sich verstärkt um den Nachwuchs und auch europäische Firmen zeigen Präsenz im Wettbewerb um die Forscher. So wird etwa am MIT eine alljährliche European Career Fair organisert, die mich auch zur BASF SE als attraktivem Arbeitgeber geführt hat.

Alumni News: Mit ihrer Rückkehr nach Deutschland haben Sie dem Braindrain ja erfolgreich entgegengewirkt. Könnten Sie sich vorstellen, dass sich der Braindrain infolge der Finanzkrise zu einem Braingain, also zu einem Zulauf von hochqualifizierten Fachkräften, umkehrt?

Melanie Bonnekessel: Ich denke, dass die Finanzkrise Deutschland nicht ausnimmt, und es sich zeigen wird, wie wir aufgestellt sind. Man sollte die Krise in jedem Fall als Chance begreifen und für weitere Investitionen in unser größtes Potenzial, Bildung und Forschung, nutzen.

Alumni News: Was würden Sie aktuellen Jugend forscht Teilnehmern im Rückblick auf Ihre bisherige Laufbahn raten: Sollten Sie ihre Karriere in Deutschland oder im Ausland planen?

Melanie Bonnekessel: Ich bin kein großer Freund des Begriffs „Karriereplanung“. Man sollte mit offenen Augen bei der Sache sein und Freude bei seiner Tätigkeit haben – unabhängig von Ort und Zeit. Dann wird ein jeder seinen Weg finden. Dabei ist es von Bedeutung, dass einem bei der heutigen Fülle von Angeboten gute, erfahrene Ratgeber zur Seite stehen. Ein Auslandsaufenthalt wird den persönlichen Horizont sicherlich erweitern.

Alumni News: Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft: USA oder Deutschland?

Melanie Bonnekessel: Meine Zukunft sehe ich dort, wo ich mich in entsprechendem Umfeld beruflich verwirklichen und entwickeln kann. Dies ist in meiner Heimat Deutschland bei der BASF möglich.

Alumni News: Liebe Frau Bonnekessel, wir danken Ihnen für das Gespräch.


  •  2 Klicks für mehr Datenschutz: Erst wenn Sie den Schalter aktivieren, wird der Button aktiv und Sie können Ihre Empfehlung an ShareNetwork senden. Schon beim Aktivieren werden Daten an Dritte übertragen.
  •  
  •  
  •  
  • Zum Seitenanfang

Cookie-Einstellungen

Wir nutzen Cookies, um Ihnen die bestmögliche Nutzung unserer Webseite zu ermöglichen und unsere Kommunikation mit Ihnen zu verbessern. Wir berücksichtigen Ihre Auswahl und verwenden nur die Daten, für die Sie uns Ihr Einverständnis geben.

Diese Cookies helfen dabei, unsere Webseite nutzbar zu machen, indem sie Grundfunktionen wie Seitennavigation und Zugriffe auf sichere Bereiche ermöglichen. Unsere Webseite kann ohne diese Cookies nicht richtig funktionieren.

Diese Cookies helfen uns zu verstehen, wie Besucher mit unserer Webseite interagieren, indem Informationen anonym gesammelt werden. Mit diesen Informationen können wir unser Angebot laufend verbessern.