Alexander S. Kekulé

Jugend forscht Alumni News | April 2010

Ein Wissenschaftler mit dem Antrieb, den Menschen und seine Welt als Ganzes zu verstehen

1980 gewann Alexander S. Kekulé, damals noch unter dem Namen Urchs, beim Jugend forscht Finale den 3. Preis in Chemie. Von den Medien wurde er daraufhin als „Tee-Professor aus München“ gefeiert. Heute ist der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Leiter des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung der Universität Halle-Wittenberg ein gefragter Experte für Bioethik und Seuchenprävention. Im Rahmen der Berichterstattung zur Schweinegrippe erlangte er bundesweite Bekanntheit. Seine Beiträge zu gesellschaftlichen und ethischen Themen der Naturwissenschaften erscheinen regelmäßig unter anderem in der ZEIT und im SPIEGEL. Alexander S. Kekulé war zehn Jahre lang Jurymitglied beim Jugend forscht Landeswettbewerb in Bayern. Im Interview mit den Alumni News spricht er sich dafür aus, bei der naturwissenschaftlichen Forschung immer auch die ethischen Fragen im Blick zu haben.

Alumni News: Herr Professor Kekulé, vor genau 20 Jahren haben Sie beim Bundeswettbewerb den 3. Preis im Fachgebiet Chemie gewonnen. Was ist Ihnen von Ihren damaligen Erfahrungen mit Ihrem Forschungsprojekt rund um den Tee besonders in Erinnerung geblieben?

Alexander S. Kekulé: Der Sieg bei Jugend forscht war für mich ein sehr wichtiges Erlebnis und ein Schlüsselmoment für meine Biografie. Ich habe mich schon als Kind lieber mit Chemie beschäftigt als mit Spielzeug. Mit neun Jahren habe ich das erste Uni-Lehrbuch (den „Christen“ – Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie) gelesen. Meine Freunde fanden das eher merkwürdig. Meine Eltern sind Filmemacher und hatten ebenfalls keinen Bezug dazu. Nach dem bayerischen Landessieg interessierten sich dann plötzlich alle für den „Tee-Professor aus München“, wie eine Boulevardzeitung titelte. Ich fühlte mich endlich bestätigt mit meinem skurrilen Hobby. Das war für mein Selbstbewusstsein damals enorm wichtig.

Alumni News: Welche Auswirkungen hatte dieses Ereignis auf Ihre weitere berufliche Entwicklung?

Alexander S. Kekulé:
Die Auswirkungen waren erheblich. Am wichtigsten war wohl die Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes. Ich wurde damals auch vom Bayer-Vorstand eingeladen, zu dem ich noch viele Jahre Verbindung hielt. Dann sprach mich die Unternehmensberatung McKinsey an. Wir organisierten Seminare für Berufsanfänger, später ging ich als „Summer Associate“ zu McKinsey nach New York.

Alumni News: Neben Biochemie und Humanmedizin haben Sie in Berlin und München auch Philosophie studiert. Was hat Sie an diesem Fach gereizt?

Alexander S. Kekulé: Mein eigentlicher Antrieb war schon immer, den Menschen und seine Welt als Ganzes zu verstehen. Ich war aufgerüttelt durch den Bericht des „Club of Rome“ über die Grenzen des Wachstums, durch die atomaren Abschreckungsarsenale im Kalten Krieg und von dem Leid in der Dritten Welt, das großenteils durch Seuchen und Kriege entsteht. Philosophie war – und ist – daher der Stamm meines Interesses, Medizin und Naturwissenschaften sind die Äste. Ich habe ja auch immer wieder zu ethischen und gesellschaftlichen Themen publiziert, beispielsweise mit meinen Vorschlägen für ein „Menschenrecht auf natürliches Erbgut“ und die Einrichtung eines globalen Fonds gegen Aids.

Alumni News: Sie sind heute Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Was sind dort Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre? Was davon liegt Ihnen am meisten am Herzen?

Alexander S. Kekulé: Meine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Seuchenprävention und Krebsentstehung durch Viren. Leider jedoch sind die Möglichkeiten zur molekularbiologischen Forschung in Halle viel schlechter als am Max-Planck-Institut, wo ich früher gearbeitet habe. Da mir interdisziplinäre und ethische Themen besonders am Herzen liegen, komme ich mit den Umständen in Halle trotzdem gut zurecht. Mein Herzensthema ist nach wie vor die Bekämpfung globaler Seuchen, insbesondere in den Entwicklungsländern.

Alumni News: Sie gelten als ausgewiesener Experte für biologischen Bevölkerungsschutz und sind Mitglied der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern. In diesem Zusammenhang sind Sie auch in den Medien ein gefragter Mann. Die Schweinegrippe hat dort über viele Wochen die Schlagzeilen bestimmt, aber die gemalten Horror-Szenarien sind nicht eingetreten. War das alles Panikmache oder wie beurteilen Sie als Wissenschaftler die Situation?

Alexander S. Kekulé: Bei der Bekämpfung der Schweinegrippe wurde vieles falsch gemacht, trotzdem war nicht alles nur Panikmache. Neue Influenzaviren können sehr gefährlich sein und viele Millionen Menschen töten. Deshalb war es zunächst richtig, eine große Impfaktion vorzubereiten. Als jedoch klar war, dass dafür ein ganz normaler Impfstoff ohne Wirkverstärker (Adjuvans) genügt, hätte man sich für diesen entscheiden müssen, weil die Nebenwirkungen geringer sind. Ich hatte darauf bereits im Mai 2009 hingewiesen. Erst viel später gab das Gesundheitsministerium zu, dass man sich schon zwei Jahre zuvor vertraglich auf die adjuvanzierten Impfstoffe festgelegt hatte, also nichts mehr ändern konnte. Aus diesem und anderen Fehlern haben die Behörden hoffentlich gelernt.

Alumni News:
Würden Sie gern mit den Studierenden von heute tauschen? Was würden Sie ihnen für ihre berufliche Karriere empfehlen?

Alexander S. Kekulé: Nein! Ich meine tatsächlich, dass wir es früher besser hatten, auch wenn das vielleicht etwas abgegriffen klingt. Ich konnte damals drei Fächer gleichzeitig studieren – und nebenbei noch Scheine in Jura, Psychologie und evangelischer Theologie machen. Biochemie und Medizin waren zwei Numerus-Clausus-Fächer, aber die Freie Universität Berlin hat – wie bei einigen anderen Studenten auch – ein Auge zugedrückt. Heute ist alles verschulter, das Studium ist zu stark reglementiert und auf schnelle Berufstauglichkeit ausgerichtet. Heutigen Studenten empfehle ich, sich trotz allem nicht von ihren ureigenen Interessen und dem Spaß am Lernen abbringen zu lassen. Oft tut es auch gut, über den Tellerrand hinaus zu blicken, zum Beispiel in Kursen eines fremden Studienganges, einem Auslandssemester oder mit einem Musikinstrument. Und möglichst perfekt Englisch zu lernen, das ist für die kommende Generation unabdingbar. Für die Karriere sind solche „persönlichkeitsbildenden“ Maßnahmen am Ende wichtiger als die bloßen Noten – und übrigens auch wichtiger als ein Sieg bei Jugend forscht.

Alumni News:
Lieber Herr Professor Kekulé, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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