Echte Zwillingsforschung

Stiftung Jugend forscht e. V. | 2006

Jochen und Jürgen Scherschmidt – Bundessieger Technik 1993

Jochen und Jürgen Scherschmidt

Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen – und doch sind sie nicht aus einem entstanden: Jochen und Jürgen Scherschmidt sind zweieiige Zwillinge, die sich trotzdem verblüffend ähnlich sehen. Davon gibt es rund eine Million in Deutschland. Für die Eltern bedeuten zwei Babys zunächst viel Arbeit. Sind Zwillinge aber erst einmal älter, kann daraus ein Vorteil erwachsen, denn dann haben sie immer einen Spiel- oder noch später vielleicht sogar einen Geschäftspartner.

Und genau so war es bei den Gebrüdern Scherschmidt, die 1997 gemeinsam mit ihrem Freund David Anthoff die Imagotech Systems GmbH in München gründen. Den Computerfreak Anthoff lernen sie beim gemeinsamen Musizieren im Schulorchester kennen. Mit ihrer Firma vermarkten die drei Tüftler ihre Jugend forscht Arbeit, mit der sie im selben Jahr bereits zum zweiten Mal Bundessieger im Fachbereich Technik werden. Ihre beim Bundeswettbewerb in Berlin vorgestellte Entwicklung ist ein elektronisches Video-Archivierungssystem für Endoskopiedaten. Es gibt dem Mediziner die Möglichkeit, beim Blick in den Körper Videosequenzen aufzuzeichnen, relevante Stellen zu markieren oder zu kommentieren sowie einfach und unverzüglich einen Befundbericht zu erstellen. Die so gewonnenen Daten bleiben für spätere Analysen, Nachuntersuchungen und Diskussionen erhalten.

"Bis dahin konnten Ärzte mit ihrem PC lediglich Standbilder abspeichern. Uns gelang erstmals eine voll digitale Archivierung auch für bewegte Aufnahmen", erinnert sich Jochen Scherschmidt an den Beginn der wissenschaftlichen und beruflichen Karriere. Denn das Projekt sorgt in der Fachwelt für Furore. Sieben Jahre nach dem großen Erfolg bei Jugend forscht arbeitet Jürgen noch immer an der gemeinsamen Entwicklung, die mittlerweile zur Serienreife gelangt ist. "Zunächst war es zwei Jahre ein Archivierungssystem für die Humanmedizin. Dann haben wir es für die Tiermedizin adaptiert", erläutert Jürgen den nächsten Entwicklungsschritt.

"Das Gerät sieht aus wie ein größerer Aktenkoffer und ist eine tragbare Untersuchungseinheit für Endoskopie und Ultraschallaufnahmen, die hauptsächlich bei Pferden und Kühen zum Einsatz kommt. Es wird europaweit vertrieben. 50 bis 60 Stück wurden bereits verkauft, vor allem an Tierkliniken, Pferderennställe oder Gestüte", erklärt der 29-jährige geschäftsführende Gesellschafter eines Fünf-Mann-Betriebes. Es ist zwar kein Massenprodukt - aber Spaß macht es trotzdem.

Der Vertrieb des Produktes liegt jedoch in anderen Händen. "Es kamen am Anfang so viele Anfragen zum Produkt, zu medizinischen Problemen, zum Support. Ohne einen Vertriebspartner war der Aufwand für Messe-Auftritte, Werbung, Hotline etc. neben der Entwicklung einfach zu hoch, deshalb konzentrieren wir uns jetzt ganz auf die Entwicklung", verdeutlicht Jürgen die klare Linie und lehnt auch eine betriebliche Expansion ab. "Bei mehr als fünf Leuten steigt der bürokratische Aufwand überproportional an. So sind wir sehr flexibel", sagt der diplomierte Elektrotechniker mit einem Aufbaustudium in Systems-Engineering.

Doch Jürgen Scherschmidt hat bereits weitere Zukunftspläne."Im Moment suche ich wieder eine richtige Herausforderung", so der ehemalige Jungforscher. Er möchte sich mehr in die Richtung Elektronikentwicklung orientieren. Sein Ziel ist es, "ein Modul für digitale Röntgen-Aufnahmen" in sein System zu integrieren. Auch dabei wird ihn sein Bruder Jochen unterstützen. Den verschlägt es nach dem Sieg bei Jugend forscht von Bayern nach Schwaben. Der sechs Minuten jüngere Scherschmidt studiert Wirtschaftsinformatik in Furtwangen und arbeitet seit 2003 bei DaimlerChrysler im strategischen IT-Management.

Trotz technischen Interesses bereits in frühen Jahren sind die Erfolge der beiden nicht geplant. "Begonnen hat alles schon im zarten Kleinkindalter, denn wir zerlegten Kugelschreiber und Pfeffermühlen und haben unsere Eltern damit ganz schön auf Trab gehalten", erinnert sich Jochen an die Anfänge der gemeinsamen Forschungszeit. Richtig ernst wird es 1992. "Da hörten wir zum ersten Mal von Jugend forscht, waren sofort begeistert und wollten unbedingt mitmachen. Wir entwickelten einen Videorekorder mit eingebautem Datenbanksystem, der automatisch Ordnung im Chaos der Videofilme hält. Jürgen entwickelte die Elektronik, ich übernahm die Programmierung. Das war echte Zwillingsforschung", schildert Jochen die Projektarbeit für ihre erste Teilnahme am Wettbewerb.

"Naja, wir dachten anfangs, dass wahrscheinlich nur kleine Einsteins dort gewinnen und hatten so unsere Bedenken, ob wir überhaupt eine Chance im Wettbewerb haben würden", so Jürgen. Doch es kommt anders. "Der Bundessieg hat uns schon überrascht", sagt Jochen im Rückblick auf ihren 1. Sieg beim Bundeswettbewerb 1993 mit ihrem Videorekorder im Fachgebiet Technik. Dort gewinnt das erfinderische Duo auch noch einen Forschungsaufenthalt in den USA mit Programmen unter anderem an der Duke University, in New Mexico und Costa Rica. Beim anschließenden European Union Contest for Young Scientists holen sich die bayerische Brüder den zweiten Preis. Zwei junge Männer, zwei Bundessiege, zwei erfolgreiche Karrieren – zum Glück in zwei verschiedenen Firmen, denn wer könnte sie sonst auseinander halten.


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