Jürgen Geist – Premiere als Biologie-Juror beim Bundeswettbewerb

Jugend forscht Alumni News | April 2012

Die Technische Universität München hat den Juniorprofessor Dr. Jürgen Geist (33) im Oktober 2010 auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie berufen. Kürzlich folgte der Bayer einem weiteren Ruf – und zwar in die Biologie-Jury beim Bundeswettbewerb Mitte Mai in Erfurt. Im Interview mit Jugend forscht Alumni News spricht er über seine eigenen Erfahrungen als Wettbewebsteilnehmer und als Landesjuror bei Jugend forscht sowie über seine beruflichen Erfolge und die Erwartungen im Hinblick auf seine neue Aufgabe in der Bundesjury

Alumni News: Im Jahr 1998 haben Sie beim Jugend forscht Finale mit „Sedimentuntersuchungen in Flussperlmuschelgewässern“ den 4. Preis im Fachgebiet Geo- und Raumwissenschaften errungen und durften Deutschland zudem beim Wettbewerb „Young Europeans’ Environmental Research“ (YEER) vertreten. Damals hatten Sie gerade ihr Studium an der Technischen Universität München begonnen. Wie kamen Sie zur Flussperlmuschel und wie zu Jugend forscht?

Jürgen Geist: Zur Gewässerökologie und zur Flussperlmuschel kam ich durch mein Hobby: das Angeln. Mit zehn Jahren bin ich der Jugendgruppe des örtlichen Fischereivereins in Hof beigetreten und habe dort vieles über Fische und Gewässer gelernt. In den Gewässern des Landkreises Hof leben noch heute die größten Restvorkommen der vom Aussterben bedrohten Flussperlmuschel – so war es nur eine Frage der Zeit, bis ich damit in Kontakt kam. Am örtlichen Wasserwirtschaftsamt beschäftigte man sich mit dem Schutz dieser Art und so eröffnete sich für mich auch der erste Zugang zu den Muschelgewässern. Nach Abitur und Bundeswehrzeit hatte ich dann noch eine kleine zeitliche Lücke bis zum Beginn des Studiums, in der ich ein Praktikum am Wasserwirtschaftsamt absolviert habe. Dabei beschäftigte ich mich mit dem Zusammenhang von Gewässersedimenten und dem Überleben der Flussperlmuschel – so entstand das Projekt. Zu Jugend forscht kam ich dann aus reinem Zufall, da mir der Wettbewerb damals gar nicht bekannt war. Kurz nach Beginn meines Studiums traf ich eine Studienkollegin, deren Schule regelmäßig bei Jugend forscht aktiv war. Sie vermittelte mir den Kontakt zu ihrem Biologielehrer, der mich dann endgültig zur Teilnahme überredete.

Alumni News: Nur zehn Jahre später, im Jahr 2008, wurden Sie bereits zum Juniorprofessor ernannt und 2010 hat Sie die TU München mit nur 33 Jahren auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für "Aquatische Systembiologie" berufen. Wie erklären Sie einem Laien die Bedeutung Ihres Forschungsgebietes? Beschäftigt die Flussperlmuschel Sie auch heute noch?

Jürgen Geist: Die Forschung in meiner Gruppe konzentriert sich darauf, wie Gewässerökosysteme funktionieren und wie Störungen auf die Lebensgemeinschaften in Gewässern wirken. Das Thema der Wasser- und Gewässerforschung ist für den Menschen von zentraler Bedeutung. Trinkwasserversorgung, Landnutzung, Hochwasserschutz, Energieerzeugung, Freizeit- und Erholungsfunktionen und der Erhalt der biologischen Vielfalt sind prioritäre Themen. Durch unsere Forschungsergebnisse hoffen wir, hier einen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung liefern zu können. Der Arbeit an der Flussperlmuschel bin ich im Übrigen treu geblieben. An meinen Lehrstuhl ist in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit sogar eine Koordinationsstelle für den Muschelschutz angegliedert.

Alumni News: Welche Faktoren waren rückblickend für Ihre Karriere entscheidend? Was empfehlen Sie Jungforschern, die ebenfalls eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollen?

Jürgen Geist: Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man Kreativität, Ideen und Visionen besitzt, mit wirklicher Begeisterung bei der Sache ist und keine Angst davor hat, Neues auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen. Ich bin bei der Wahl meines Studien- und Promotionsfachs immer meiner Überzeugung gefolgt und habe mich nicht nach Arbeitsmarktprognosen gerichtet. Gleichzeitig war für mich der Blick über den Tellerrand, zum Beispiel bei der Studienstiftung des deutschen Volkes und bei den PerspektivForen von Jugend forscht, immer sehr wichtig. Rückblickend kann ich jedem auch einen längeren Auslandsaufenthalt empfehlen – meine Post-Doc Zeit an der University of California hat mir ganz neue Ideen und Impulse gegeben. Zudem rate ich dazu, Studium, Promotion und gegebenenfalls die Habilitation zügig abzuschließen. Von zentraler Bedeutung ist die Suche nach einer passenden Universität. Bei dieser sollten – wie bei der TU München – Qualitäts- und Qualifikationskriterien an erster Stelle stehen, und sie sollte den Mut haben, junge Menschen in verantwortungsvolle Positionen zu berufen. Ich denke allerdings, dass man eine wissenschaftliche Laufbahn nicht wirklich planen kann. Angesichts der Konkurrenzsituation ist wie überall im Leben auch hier immer ein entscheidendes Quäntchen Glück nötig. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Alumni News: Was steht in Zukunft noch Neues und Spannendes auf Ihrem Lebens- und Karriereplan?

Jürgen Geist: Mit entsprechenden Vorhersagen verhält es sich wie mit Arbeitsmarktprognosen, denen ich wenig vertraue. Man kann aus heutiger Sicht keinen festen Plan schmieden, den man dann schrittweise abarbeitet – das würde meinem Verständnis von Wissenschaft widersprechen. Es ist sehr befriedigend, dass ich noch mehr als drei Jahrzehnte forschen und lehren darf und dabei frei und unabhängig bin. Ich bin von der Bedeutung der Wasser- und Gewässerforschung überzeugt und werde mich dafür einsetzen, die Vernetzung zwischen natur-, ingenieur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen in Forschung und Lehre voranzutreiben. Darüber hinaus liegen mir die Verbesserung des internationalen Austauschs und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sehr am Herzen. Zudem darf sich Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm abspielen. Ich möchte mich daher auch intensiv einbringen, unsere Anliegen zu vermitteln und Menschen für das Thema „Wasser“ und für die Wissenschaft zu begeistern.

Alumni News: Sie sind bereits seit vielen Jahren bei Jugend forscht als Juror auf Regional- bzw. Landesebene tätig. Wie kommt es, dass Sie mit Jugend forscht in Verbindung geblieben sind? Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Mitstreitern von damals?

Jürgen Geist: Jugend forscht ist wie eine große Familie und die Stiftung Jugend forscht hat nach den Wettbewerben für ein aktives Networking der Ehemaligen gesorgt. Vor allem die PerspektivForen, zu denen ehemalige Preisträger des Bundeswettbewerbs eingeladen wurden, haben den Kontakt gefördert. Ich bin bis heute gut mit einigen Jungforschern von damals befreundet.

Alumni News: Warum haben Sie sich entschieden, die Aufgabe als Juror zu übernehmen?

Jürgen Geist:
Ich habe mich sehr gefreut, von Jugend forscht gefragt zu werden, diese ehrenamtliche Aufgabe zu übernehmen. Da habe ich sofort „Ja“ gesagt. Es ist sehr reizvoll und inspirierend, unter kreativen Jungforscherinnen und Jungforschern zu sein. Das ist eine wirkliche Elite, von deren Begeisterung man sich auch als Juror sehr gerne anstecken lässt. Meine eigene Teilnahme am Wettbewerb war eine wichtige und positive Erfahrung für mich. Ich freue mich, wenn ich hier etwas zurückgeben und auch diejenigen, die keinen Preis gewinnen, dazu motivieren kann, weiterzumachen.

Alumni News: Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die Sie als Juror gemacht haben?

Jürgen Geist: Die wichtigste Erfahrung ist die, dass es eine beeindruckende Zahl intelligenter und engagierter junger Menschen gibt, die immer wieder neue und pfiffige Ideen haben. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oftmals hart für die Umsetzung ihrer Ideen kämpfen müssen und dass sie und die betreuenden Lehrkräfte nicht immer die Unterstützung erfahren, die sie brauchen würden. So lernte ich beim letzten Wettbewerb einen Lehrer kennen, der in seiner Freizeit gleich mehrere Jugend forscht Projekte betreut hat. Die erforderlichen Materialien hat er aus eigener Tasche bezahlt. Aus meiner Sicht muss eine zukunftsorientierte Bildungspolitik solche Leistungen besser anerkennen und fördern.

Alumni News: Was muss ein „guter Juror“ aus Ihrer Sicht in jedem Fall mitbringen?

Jürgen Geist: Oftmals ist es – vor allem aufgrund der Vielfalt der Projekte selbst innerhalb einzelner Fachdisziplinen – nicht einfach, die Leistungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer miteinander zu vergleichen. Ein guter Juror sollte daher einen relativ breiten Überblick besitzen und generell nicht vorschnell urteilen. Besonders wichtig ist es, den Anteil der wirklichen Eigenleistung zu ermitteln, wofür das direkte Gespräch essentiell ist. Hierbei ist das Gespür nötig, die Befragungen so durchzuführen, dass man die relevanten Informationen erhält, ohne die Teilnehmer unter den Druck einer Prüfungssituation zu setzen. In jedem Fall muss ein guter Juror objektiv urteilen und sich die Zeit nehmen, Verbesserungsmöglichkeiten für alle Projekte individuell mit den Teilnehmern zu besprechen und diese positiv zu motivieren.

Alumni News: Sie sind in diesem Jahr erstmalig Mitglied der Biologie-Bundesjury. Bereiten Sie sich auf diese Aufgabe speziell vor?

Jürgen Geist: Ich nehme diese Aufgabe genauso ernst wie zuvor bei den Landes- und Regionalwettbewerben. Dazu zählt natürlich, sich vorab intensiv mit den schriftlichen Arbeiten auseinanderzusetzen und Hintergrundinformationen zu recherchieren. Auf dem Bundeswettbewerb ist das Niveau natürlich am höchsten und ich gehe daher davon aus, dass die Entscheidungen über die Platzierungen schwieriger sein werden als auf den anderen Ebenen. Den Ausschlag geben aber meist die Gespräche an den Ständen und da muss man situationsbezogen reagieren – darauf kann man sich nicht speziell vorbereiten.

Alumni News: Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Arbeit in der Bundesjury?

Jürgen Geist: Dass ich auf spannende Projekte treffe und dass wir gemeinsam mit allen Jurymitgliedern eine möglichst objektive und gerechte Entscheidung über die Platzierungen erreichen.

Alumni News: Gehen Sie davon aus, dass Sie selbst und auch Ihre Kollegen in der Landesjury von Ihren Erfahrungen in der Bundesjury profitieren werden?

Jürgen Geist: Es ist sicherlich für die Arbeit bei der Landesjury hilfreich, die Qualität der Arbeiten auf dem Bundeswettbewerb gut zu kennen, auf den ja der komplette übrige Ablauf ausgerichtet ist. Generell halte ich das Konzept des Juryeinsatzes mit einer Teilrotation für sehr durchdacht. Die langjährigen Jurykolleginnen und -kollegen können die Leistungen im Vergleich zu den Vorjahren gut einordnen, während neue Jurymitglieder frische Ideen einbringen und so dazu beitragen, dass sich keine verkrusteten Strukturen bilden.

Alumni News: Lieber Herr Geist, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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