Ein patenter Typ

Stiftung Jugend forscht e. V. | 2015

Thomas Nesch – Bundessieger Technik 2008

Bundessieger Technik

So klingen Erfinderträume: Ein junger Mann absolviert seine Ausbildung bei einem großen deutschen Automobilkonzern. In seiner Freizeit tüftelt er stundenlang an einer technischen Neuentwicklung, einem Sensor, mit dem man einen Flüssigkeitsverlust an Schläuchen von Lackierrobotern aufspüren kann. Der Jungforscher erkennt das Potenzial seiner Arbeit und meldet den Sensor zum Patent an. Beim Bundeswettbewerb von Jugend forscht 2008 überzeugt er auch die Jury und gewinnt den ersten Preis im Fachgebiet Technik. Der Arbeitgeber des jungen Mannes ist begeistert und setzt das Gerät sogleich in der weltweiten Produktion eines Luxuswagens ein. Die Weiterentwicklung zum serienreifen Produkt lässt nicht lange auf sich warten.

Thomas Nesch ist ein bodenständiger Typ – trotz oder gerade wegen seiner beeindruckenden Erfolgsgeschichte. Im beschaulichen Haigerloch-Stetten, rund 70 Kilometer südlich von Stuttgart, bastelt, schraubt und schweißt er schon als kleiner Junge an den Traktoren des elterlichen Hofs. Nach dem Abschluss der Realschule mit einem Notendurchschnitt von 1,2 steht für ihn fest: Eine Ausbildung zum Mechatroniker „beim Daimler“ soll es sein. Von Anfang an ist die Daimler AG sein Wunscharbeitgeber. Bestens informiert durch Berufsbeschreibungen der Agentur für Arbeit, Praktika und zahlreiche Werksführungen bewirbt sich der damals 15-Jährige beim Mercedes-Werk in Sindelfingen – und ist überglücklich, als er die Zusage für die dreieinhalbjährige Ausbildung erhält.

In der Berufsschule fällt der junge Baden-Württemberger durch seinen unbändigen Ehrgeiz und Wissensdurst auf. In fast jeder Pause und nach Schulschluss erscheint Thomas Nesch im Lehrerzimmer, um Fragen zu technischen Details zu stellen. Seinen hervorragenden Leistungen hat er es auch zu verdanken, dass er bereits im ersten Ausbildungsjahr einen zweiwöchigen Azubi-Lehrgang zum Thema Drehstromtechnik leiten darf. Besonderen Gefallen findet der Azubi am selbständigen Lernen und Arbeiten, das in der Ausbildung des Automobilkonzerns gefördert wird. Dieses eigenständige Arbeiten findet dann auch in der betriebsinternen Auszubildenden-Firma „A-tronik“ seine Anwendung, die von Lehrlingen der Mechatronik und Elektronik für Automatisierungstechnik im dritten Ausbildungsjahr geführt wird. Wie in einer eigenen Firma übernehmen die Auszubildenden hier sämtliche anfallende Aufgaben: von der Auftragsannahme über die Materialbeschaffung bis hin zur Umsetzung und Verwaltung der Aufträge. Thomas Nesch bringt sich mit großem Elan und Begeisterung in das Mini-Unternehmen ein. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sein Jugend forscht Projekt seinen Ursprung bei der A-tronik hat. Schon ein Jahr bevor er zu der Firma stößt, erhält diese einen Entwicklungsauftrag aus der Daimler-Lackiererei. Geordert wird ein Sensor, der auch sehr kleine Lecks in den Lackierrobotern erkennen und so Verunreinigungen und Funktionsstörungen verhindern kann. Ebenso wie externe Anbieter können seine A-tronik-Kollegen keine Lösung bieten. Thomas Nesch sieht seine Chance für eigenständiges Arbeiten gekommen und übernimmt den Auftrag.

Unzählige Stunden investiert der Jungforscher in die Entwicklung des Sensors, auch ein zweiwöchiger Urlaub fällt der Tüftelei zum Opfer. Rückblickend sagt er: „Es war schon ein riesiger Aufwand, etwa die Hälfte habe ich in der Freizeit gemacht.“ Thomas Nesch konstruiert einen Prototyp, den es in der Form auf dem Markt noch nicht gibt: Aufgrund der optischen Erkennungsmethode kann der Sensor, der schon den geringsten Lackverlust an Schläuchen von Lackierrobotern aufspürt, sowohl in explosionsgefährdeten Bereichen als auch in elektrostatischen Feldern eingesetzt werden. Dabei ist er so klein, dass er sich in den Köpfen der Lackierroboter implementieren lässt. Zusätzlich reagiert er schon auf sehr geringe Mengen und erkennt sogar zerstäubte oder transparente Flüssigkeiten. So ist die Schwäche der herkömmlichen sogenannten Druckwächter, nämlich die fehlende Reaktion bei sehr kleinen Lecks, behoben. Kosten für die Beseitigung von Verunreinigungen und Reparaturen von Funktionsstörungen können gespart werden.

Den Weg zu Jugend forscht finden Thomas Nesch und seine Erfindung schließlich durch seinen Meister Jürgen Ziniel. Der hatte bereits 1984 mit dem Projekt „Verbesserung der Sicherheit von Steckdosen zum Schutze des Menschen“ am Bundeswettbewerb von Jugend forscht teilgenommen. Angeregt durch Ziniel meldet er sich bei Deutschlands bekanntestem Nachwuchswettbewerb an. Und was folgt, ist ein glatter Durchmarsch durch alle Wettbewerbsebenen bis zum großen Finale. Auch hier überzeugt Thomas Nesch mit seinem Sensor die Jury: Er wird mit dem Bundessieg im Fachgebiet Technik ausgezeichnet und erhält zudem den Sonderpreis des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. „Für mich war es ein gigantisches Gefühl, dass Bundesbildungsministerin Schavan mir auf der Bühne persönlich gratuliert hat. Schon bei der Nennung meines Namens und bei der Laudatio, die der VDI-Vorsitzende über mich hielt, hatte ich ein totales Glücksgefühl“, so der Bundessieger. Und dieses Glücksgefühl kommt nicht von ungefähr, lobt die Jury den jungen Mann doch in den höchsten Tönen: „Technischer Fortschritt braucht Menschen, die sich technischer Probleme annehmen, sie mit Kreativität, Hartnäckigkeit und einer gehörigen Portion ,Ingenius’ anpacken und lösen. Deshalb hat sich die Technikjury in diesem Jahr für Thomas Nesch entschieden, der diese Eigenschaften in ganz besonderer Weise in sich vereint.“

Doch der Bundessieg ist nur der Anfang der Erfolgsgeschichte. Denn noch vor der ersten Präsentation auf dem Regionalwettbewerb in Sindelfingen meldet Thomas Nesch seinen Sensor zum Patent an. Eine gute Entscheidung, da die wichtigste Voraussetzung zur Patenterteilung die Neuheit der Erfindung ist. Und „neu“ heißt in diesem Zusammenhang, dass sie bisher nicht der Öffentlichkeit zugänglich war, beispielsweise in einem Zeitschriftenartikel oder bei einer Ausstellung. Eine gute Entscheidung auch, weil sein Arbeitgeber Daimler von der Qualität der Erfindung überzeugt ist und sie umgehend in der Produktion einsetzen möchte. Und nicht nur das: Gemeinsam mit einer Sensorikfirma wird derzeit an einer serienreifen Umsetzung gearbeitet, um den Sensor auch in hoher Stückzahl produzieren und verkaufen zu können. 

Nach der Unterstützung durch seinen Meister Jürgen Ziniel zu Beginn des Wettbewerbs, kommt wenig später ein weiteres Mal ein ehemaliger Jugend forscht Preisträger ins Spiel: Jochen Scherschmidt, Technik-Bundessieger 1993 und 1997. Der 32-Jährige ist ebenfalls bei Daimler tätig und liest einen Artikel über Thomas Neschs Landessieg im unternehmenseigenen Intranet. An seine eigene Teilnahme vor 15 Jahren erinnert und begeistert von der Leistung des Auszubildenden tritt er mit Thomas Nesch in Kontakt – und entpuppt sich als wahrer Patentexperte. Von ihm erhält der junge Erfinder wertvolle Tipps für die anstehenden Verhandlungen mit Daimler. Denn die beim Patentamt angemeldete Arbeitnehmererfindung garantiert ihm zum Ausgleich für die Überlassung seiner Erfindung an Daimler eine angemessene Vergütung – und diese ist frei verhandelbar. Fortan stehen Thomas Nesch und Jochen Scherschmidt in regelmäßigem Austausch über die Entwicklung des Projekts

Mit der abgeschlossenen Ausbildung in der Tasche startet Thomas Nesch nun noch einmal richtig durch: Ab September 2008 geht es für zwei Jahre an die Technische Oberschule in Stuttgart, um das Abitur nachzuholen. Im Anschluss erhält er einen Studienplatz an einer der angesehensten Hochschulen der Welt, der University of Cambridge, und studiert dort Ingenieurwissenschaften. Parallel gründet er seine eigene Elektronikfirma "Nesch Engineering", absolviert zahlreiche Praktika bei namenhaften Unternehmen und beginnt 2013 als Innovationsmanager bei der Daimler AG im Bereich Business Innovation. Dort beobachtet man aktuelle soziale, kulturelle und technologische Entwicklungen, um vielversprechende Geschäftsideen im Rahmen von Pilotprojekten zu realisieren.

Seit Ende Juni 2015 ist Thomas Nesch "Master of Engineering" und kann sich jetzt voll und ganz seiner Tätigkeit als Projektkoordinator bei Business Innovation widmen. Am Standort Ulm beschäftigt er sich aus technischer und kaufmännischer Sicht mit der Frage, inwieweit sich Fahrzeugteile mittels 3-D-Druck herstellen lassen. Dabei folgt Thomas Nesch einem Credo, das maßgeblich durch seine Erfahrungen bei Jugend forscht geprägt wurde: "Nur wenn man offen bleibt für Neues, neue Dinge ausprobiert und erforscht, kann man den 'change of life' mitgestalten."


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