Stephan Urban entwickelt neue Medikation gegen Hepatitis B

Jugend forscht Alumni News | Januar 2009

Gemeinsam mit seinem Team hat Professor Stephan Urban einen völlig neuartigen Virus-Blocker entwickelt, der bei Mäusen die Infektion mit dem Hepatitis B-Virus verhindern kann. Am Universitätsklinikum Heidelberg leitet der Chemie-Bundessieger von 1980 eine Forschungsgruppe in der Abteilung Molekulare Virologie

Seit vergangenem Jahr ist Urban zudem Vorsitzender der Chemie-Jury beim Bundeswettbewerb. Im Interview mit „Jugend forscht Alumni News“ erläutert er sein aktuelles Forschungsprojekt, berichtet über Freud und Leid eines Wissenschaftlers wie auch über die Erfahrungen als Juror bei Jugend forscht.

Alumni News: Sie arbeiten mit Ihrem Team am Universitätsklinikum Heidelberg an einem neuartigen Wirkstoff, der die Infektion mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) verhindern soll. Die Ergebnisse Ihrer aktuellen Forschungsarbeiten sind im vergangenen Jahr in dem renommierten Fachmagazin „Nature Biotechnology“ veröffentlicht worden. Können Sie uns erklären, was das Besondere an Ihren Forschungsergebnissen ist?

Stephan Urban: Wir haben eine Möglichkeit gefunden, den Eintritt des Virus in die Leberzellen zu blockieren. Dabei schlagen wir den Angreifer mit seinen eigenen Waffen: Wir haben ein Teilstück der Virushülle, mit dessen Hilfe sich das Virus an Leberzellen bindet, im Labor nachgebaut und blockieren dadurch die Aufnahme des Virus. Bereits sehr geringe Mengen davon genügen, um in Mäusen eine Hepatitis B-Infektion komplett zu verhindern. Unsere Forschung ist ein Beispiel dafür, wie man von reiner Grundlagenwissenschaft im Reagenzglas zu einem möglicherweise hochwirksamen Arzneimittel kommt.

Alumni News: Und wie geht es jetzt weiter?

Stephan Urban: Derzeit laufen umfangreiche Studien. Sie liefern zusätzliche Informationen über den völlig neuartigen Wirkstoff liefern, bevor die zur Medikamentenzulassung notwendigen klinischen Studien bei Patienten beginnen können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt diese sogenannten präklinischen Untersuchungen mit insgesamt 1,8 Millionen Euro.

Alumni News: Heute sind Sie ein anerkannter Forscher. Wann und wie wurde Ihr Interesse für das Forschen geweckt?

Stephan Urban: Ausschlaggebend war mein Chemielehrer. Ein Mann, dessen Persönlichkeit mich als Schüler absolut beeindruckte. Ihm ist es zu verdanken, dass ich am Gymnasium in der 7. Klasse Freude am Experimentieren entwickelte und mich für immer neue Fragestellungen interessierte. Ein Experimentierkasten zu Weihnachten hat meine neue Leidenschaft dann auch praktisch unterstützt, sodass ich nicht nur in der Schule forschen konnte, sondern auch daheim im Keller über ein Labor verfügte. Meine Eltern, die selbst mit Chemie nichts zu tun hatten, haben mir zum Glück den Freiraum dafür eingeräumt. Es gab auch kaum Diskussionen über mögliche Risiken bei meinen Experimenten, wobei die getroffenen Schutzmaßnahmen, offen gesagt, nicht unbedingt den Standards entsprachen. Es ist aber zum Glück nie etwas passiert, der Keller blieb unversehrt.

Alumni News: Wie kam es dazu, dass Sie sich 1980 erstmalig beim Wettbewerb Jugend forscht beteiligt haben?

Stephan Urban: Derselbe Lehrer, der mein Interesse an Chemie geweckt hat, brachte mich auf die Idee, mein Facharbeitsthema aus der Schule auszubauen und als Arbeit bei Jugend forscht einzureichen. Damit, dass ich gleich einen Bundessieg erringen würde, hatte ich natürlich nicht gerechnet. Ich selbst konnte die Bedeutung und die objektive Qualität meiner Arbeit damals nur begrenzt einschätzen. Bei den Wettbewerben habe ich zum ersten Mal gegenüber einer Jury meine Ideen und meine gewählte Vorgehensweise vertreten müssen. Das war neu und ungewohnt. Ich habe dabei viel gelernt.

Alumni News: Ein zweiter, ähnlich großer Erfolg kam nur zwei Jahre später. Damals wurden Sie mit einem zweiten Platz und einem Sonderpreis belohnt. Haben sich da die Erfahrungen vom ersten Mal wiederholt?

Stephan Urban: Nein, das war etwas anders: Ich war natürlich ehrgeizig, konnte jetzt ja eher einschätzen, wo ich stehe und hatte mir zum Ziel gesetzt, den Erfolg zu wiederholen. Ich wollte auf meinen Erfahrungen aufbauen und war von der zweiten Arbeit selbst sehr viel überzeugter als von der ersten. Auch der Aufwand, den ich betrieben habe, war wesentlich größer. Dann aber zog ein anderer Teilnehmer, Christian Wimmer, an mir vorbei und errang den Bundessieg. Das war hart für mich, weil ich es zunächst nicht verstanden habe. Christian, mit dem mich seit damals eine enge Freundschaft verbindet, hatte der Jury ein einfaches Experiment mit deutlich weniger Aufwand präsentiert als ich. Auch das zählt bei Jugend forscht und wird entsprechend honoriert, auch wenn es aus Sicht der Jury sicher keine leichte Entscheidung war.

Alumni News: Welche Lehre haben Sie für sich daraus gezogen? Welche Bedeutung haben diese Erfahrungen bei Jugend forscht für Sie gehabt?

Stephan Urban: Ich habe damals etwas ganz Wichtiges gelernt: Nämlich, dass man letztlich immer im Vergleich zu anderen bewertet wird, und die Kriterien sind eben vielschichtig. Hoffnung und Enttäuschung gehören untrennbar zum Leben als Forscher dazu. Frustrationen aushalten, trotzdem weitermachen heißt die Devise. Das ist, was den Erfolg erst möglich macht! Diese Erkenntnis hat mich auch in meinem weiteren Forscherleben begleitet. Zum Beispiel geschieht es immer wieder, dass man auch mit einem guten Forschungsantrag möglicherweise nicht sofort gefördert wird, wenn nämlich andere mit ihrem Vorhaben zu dem Zeitpunkt mehr überzeugen können.

Alumni News: Sie haben nach Abitur und Zivildienst angefangen, in Tübingen Chemie zu studieren. Später sind Sie zur Biochemie gewechselt. Inwiefern haben Ihre Jugend forscht Erfolge Ihren beruflichen Weg beeinflusst?

Stephan Urban: Sehr, ich wusste danach genau, dass und was ich studieren wollte. Über den Wettbewerb habe ich ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes erhalten. Allerdings, und das möchte ich auch nicht verschweigen, hatten diese Erfolge auch eine Kehrseite: Die Erwartungen des Umfeldes sind nach solchen Erfolgen enorm. Jeder denkt, Mensch, der ist überall kompetent, der macht das alles mit links. Natürlich hatte ich keine Probleme auf dem Gebiet der Organischen Chemie und bei den Praktika. Dafür verfügte ich aber nur über wenige Vorkenntnisse im Bereich Physikalische Chemie und Quantenmechanik. Auch die Biochemie/Physiologische Chemie wurde in der Schule kaum abgedeckt. Dies führte auch dazu, dass ich nicht ohne Weiteres mit Kommilitonen, die ähnliche Probleme hatten, ins Gespräch gekommen bin.

Alumni News: Heute sind Sie Jurysprecher der Bundesjury im Fachgebiet Chemie. Gab es auch dort für Sie überraschende Erlebnisse und Erkenntnisse, jetzt jedoch aus der anderen Perspektive?

Stephan Urban: Ja, durchaus. Es gab immer wieder Arbeiten, die bereits im Vorfeld der Endausscheidung, aufgrund der Thematik ein gewisses Medieninteresse auf sich gezogen haben. Die Teilnehmer bekommen dadurch oft einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und starten mit Vorschusslorbeeren in den Bundeswettbewerb. Ich erinnere mich an eine dieser Arbeiten, die von vielen bereits zuvor als heißer Tipp gehandelt wurde.

Alumni News: Wie war Ihre Einstellung zu dieser Arbeit?

Stephan Urban: Auch für mich war klar, dass es sich um eine gute Arbeit handelte. Allerdings hatte ich einen großen Kritikpunkt, über den ich mich mit meinen Jurykollegen und anderen Experten ausgetauscht habe: Der junge Forscher hatte mit seinen Experimenten das anfangs formulierte Ziel, seine Hypothese, nicht wirklich genau, dass heißt mit allen ihm zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Verfahren, überprüft. Er konnte daher seine eigene Hypothese nicht schlüssig belegen. Das ist aber in der Wissenschaft und auch in einer Jugend forscht Arbeit Voraussetzung für einen ersten Platz. Die Arbeit hat immerhin den zweiten Platz und einen großen Sonderpreis erhalten. Und was noch besser war: Im Jahr darauf ist dieser Jungforscher wieder angetreten – mit einer klaren Zielvorgabe, einem überzeugenden Nachweis und eindeutigen Ergebnissen. Dafür wurde er dann mit dem Bundessieg belohnt. Sein Ehrgeiz und sein „Am-Ball-Bleiben“ haben mich bei aller nachvollziehbaren Enttäuschung nach der ersten Runde ganz besonders gefreut.

Alumni News: Warum ist Ihnen die Arbeit als Juror so wichtig?

Stephan Urban: Ich diskutiere einfach gern mit jungen Leuten über das, was sie sich bei ihren naturwissenschaftlichen Projekten gedacht haben. Aus Interesse sehe ich mir immer auch an, was auf der Landesebene vorgestellt wird. Da gibt es bei mir sicherlich ein pädagogisches Grundinteresse und den Wunsch, den jungen kritischen Geist zu stärken. Gerade in dem jugendlichen Alter bekommen Sinnfragen, Fragen nach dem Verständnis der Welt eine besondere Bedeutung. Und es macht mir einfach Freude, mich darüber mit den Jugendlichen auseinanderzusetzen und sie herauszufordern, ihre Einsichten zu begründen und zu verteidigen.

Alumni News: Was ist die wichtigste Voraussetzung, als Forscher gute Arbeit leisten zu können?

Stephan Urban: Spaß am Forschen, denn dann kommt die Motivation von selbst, und ein hohes Frustrationsvermögen. Wissenschaft zu betreiben, kann phasenweise eine extrem frustrierende Angelegenheit sein. Man bildet eine Arbeitshypothese und in 98 Prozent der Fälle widerlegen die Experimente diese Idee. Wenn Sie dann doch den Glücksfall erleben und bei den zwei Prozent landen, die mit ihrer Hypothese in Deckung zu bringen sind, ist der Erfolg oft sehr abstrakt: Denn nur ganz Wenige, oft nur das eigene Team, verstehen dann, worüber man redet. Die öffentliche Anerkennung, beispielsweise durch eine Veröffentlichung der Ergebnisse in „Nature“, kommt meistens viel später oder manchmal gar nicht. Da hat es ein Künstler besser, der direkt die Resonanz seines Publikums erhält.

Alumni News: Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um mehr junge Menschen zum Forschen zu ermutigen und für die Naturwissenschaften zu interessieren?

Stephan Urban: Wir müssen Strukturen schaffen, die die Faszination der Naturwissenschaften in die Schulen bringen. Dafür brauchen wir Menschen, die ihre Leidenschaft für das jeweilige Fach vermitteln können. Damit meine ich die Lehrer, aber nicht nur die Lehrer. Es müssen mehr Brücken geschlagen werden zwischen Schule und Forschung. Ich denke da an ein Projekt der Max-Planck-Gesellschaft. Da werden Mitglieder von Forschungsgruppen in Schulen geschickt, um aus ihrem Forscheralltag zu erzählen und mit Schülern zu diskutieren. Eine gute Sache sind sicher auch die Kinderunis. Oder eine andere Idee: Jugend forscht könnte die Alumni einbinden und sie in den Schulen ihrer Region einsetzen, sie von ihrem Projekt und dem, was sie heute machen, erzählen lassen. Jugend forscht könnte die gute Vernetzung mit den Schulen wie auch den Alumni nutzen und daraus etwas Neues machen.

Alumni News: Lieber Herr Urban, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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